Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
sie liebte und kurz darauf eine andere Frau vergewaltigte? Nein, sie konnte es sich nicht vorstellen. Aber wenn es so wäre, dann wäre er für sie gestorben. Dann wünschte sie ihm den Tod in einer der Schlachten, die er jetzt mit Cesare gewinnen wollte. O nein, natürlich wünschte sie ihm nicht den Tod, sie wünschte niemandem den Tod. Und doch war der Gedanke an einen Vergewaltiger, den sie liebte, so quälend, daß sie sich übergeben mußte.
Erst Tage später begegnete Silvia Giovanni wieder. Weil sie es nicht mehr aushielt, sich von ihren Kindern so lange entfernt zu halten, verließ sie ihr Studiolo. Sie fand Giovanni mit den beiden Jungen vor dem Kamin sitzen. Sandro ließ gegen seinen Vater einen Teil der Ritterfiguren aufmarschieren, und Giovanni verteidigte sich mit dem anderen Teil. Tiberio saß daneben auf seinem Schaukelpferd und galoppierte unter Geschrei und Juchzern. Kaum sahen die beiden Jungen Silvia, stürzten sie ihr in die Arme. Auch Giovanni erhob sich und gab ihr die Andeutung eines Kusses. Sie blickte ihn forschend an. Dann setzte sie sich zu Vater und Söhnen und ließ sie weiterspielen.
Jetzt müßtest du sticken oder sonst eine weibliche Tätigkeit verrichten, dachte sie. Aber sie hatte noch nie gestickt. Sie hatte lieber gelesen, Novellen geschrieben oder auch gemalt. Ihr Blick streifte wieder Botticellis Gemälde an der Wand, die Hunde, die sich in die Beine der Nackten verbissen, die vor Entsetzen aufspringenden Gäste des Picknicks. Sie hatte vor kurzem noch einmal Boccaccios Novelle gelesen. Natürlich verstand sie, was der Erzähler seinen Zuhörern mitteilen wollte, aber jede der anwesenden Frauen – und sie waren in der Mehrzahl – hätte ihn sofort in die Schranken weisen müssen. Kein Mann konnte und durfte die Liebe erzwingen! So hochmütig sich eine Frau auch gab, sie mußte das Recht haben, nein zu sagen, ohne dafür grausam und endlos bestraft zu werden!
Giovanni blickte kurz zu ihr auf. Sie versuchte, ihren sich inzwischen mächtig wölbenden Leib zu verbergen. Gleichzeitig lächelte sie ihn an. Er lächelte schwach zurück und ließ dann wieder seine Ritter gegen Sandros Ritter die Lanzen kreuzen.
Während der nächsten Tage begegnete ihr Giovanni häufiger und berichtete ihr auch, was er während der vergangenen Monate in Venedig alles erledigt hatte. Er war zum Geschäftsmann geworden!
Zum Kunsthändler! Auf ihre Schwangerschaft gingen sie nicht ein.
Schließlich bat Silvia ihn, doch wieder in das eheliche Schlafzimmer zurückzukehren. Er zögerte, versprach es aber. An diesem Abend saßen sie zum ersten Mal nach seiner Rückkehr ohne die Kinder vor dem Kamin. Giovanni ließ das Feuer kräftig schüren, schickte dann den Diener hinaus. Er holte selbst einen großen Krug Wein aus der Küche und schenkte auch Silvia ein. Sie sah ihn an, suchte seinen Blick.
Aber er wich ihr aus.
Das erste, was er sagte, war: »Ich muß es meinem Vater sagen. Ich war seit meiner Ankunft nicht wieder bei ihm. Er schöpft Verdacht.«
Silvia unterdrückte aufkeimenden Ärger. Sie nahm seine Hand. »Giovanni«, flüsterte sie, »ich liebe dich noch immer.«
»Das hast du nicht gerade bewiesen«, antwortete er unwirsch.
Sie atmete tief durch, versuchte, die sie erneut aufwühlenden Gefühle nicht zu beachten, und erzählte so sachlich, wie sie es konnte, von dem Mondschein in dieser einen Nacht, von ihrer Neugier auf die nächtliche Natur, von dem Wein, dem sie zugesprochen hätten, von ihren Scherzen, von ihrer Dankbarkeit Alessandro gegenüber.
Grimmig ins Feuer starrend, hörte Giovanni ihr zu.
Sie versuchte, alles zufällig aussehen zu lassen. Sie sei Opfer dieser wunderbaren Mondnacht geworden. Sie habe ihn, ihren Ehemann, immer vermißt.
Je grimmiger Giovanni zuhörte, desto schneller sprach sie, selbst dann noch, als sie alles gesagt hatte, was sie hatte sagen können, ohne das Eigentliche zu beschreiben. Aber sie merkte selbst, wie Alessandro durch ihre Worte zum hinterlistigen Verführer wurde. Sie wollte das Bild, das sie von ihm zeichnete, korrigieren. Aber je mehr sie ihn reinzuwaschen versuchte, desto mehr stellte sie ihn bloß.
Giovanni hörte ihr schweigend zu. Der Grimm in seiner Miene war verschwunden, sein Körper fiel, wie das Feuer im Kamin, immer mehr in sich zusammen. Und als wollte er diesen Vergleich bestätigen, legte er nicht nach. Silvia warf schließlich ein paar Scheite in die Glut, so daß die Funken sprühten. Aber er rührte sich nicht, hob noch
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