Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
geschwärmt hatten, wie Cesare Borgia dem Stier den Kopf abgetrennt hatte. Mit einem Streich! Wer Lust dabei empfand, Tiere zu jagen, der jagte auch Menschen. Der jagte Frauen, die er dann niederwerfen und in die er seinen Speer bohren konnte – um ihnen zum Schluß die Kehle durchzuschneiden.
Es war wirklich verrückt. Giovanni Crispo und Alessandro Farnese wollten auf die Jagd gehen! Wie konnte sich Alessandro darauf einlassen? Wer wußte denn, welche Hintergedanken Crispo dabei hegte?
Nein, am besten dachte sie nicht mehr daran. Vielleicht war die Jagd nur eine Grille der beiden Männer, um sich gegenseitig zu prüfen. Oder Crispo wollte herausfinden, wie sie reagierte.
Aber dann ergriff sie doch eine bohrende Angst. Sie sah die Pietà vor sich, sie sah sich selbst vor sich und den toten Alessandro. Wenn dies nicht ein Omen war! Die Pietà war ein Omen. Crispo plante irgend etwas!
»Zuerst hatte ich gedacht«, fuhr Crispo nach einer Pause fort, »wir nehmen Agostino mit, vielleicht sogar meinen Vater. Aber der wird langsam zu alt. Und Agostino …? Vielleicht ist es besser, wir gehen ohne ihn, nur wir beide mit unseren Jagdhütern. Es könnte ein Gespräch von Mann zu Mann zustande kommen.«
Und dann sagte Giovanni etwas, was sie überraschte.
Er schaute sie lange an und sagte leise: »Weißt du eigentlich, daß ich dich noch immer liebe. Obwohl du von einem anderen Mann träumst.«
Ihr Protest fiel schwach aus, sie merkte es selbst. »Wie ist denn nun die Pietà? « fragte sie. Sie wandte sich ab, weil sie Giovannis Blick nicht aushalten konnte.
»Ich habe nur dich und ihn in Marmor gesehen. Du bist so schön wie eine jungfräuliche Göttin und ewig jung. Und er ist nicht tot, sondern schläft.«
Giovanni hatte seinen Blick gesenkt und schaute auf seine gefalteten Hände, als würde er beten. Er tat ihr leid, und sie fragte sich, wie er es bei der Enthüllungszeremonie hatte aushalten können. Jeder sah doch, wer da abgebildet war. Und sicher hatten viele das Gerücht gehört, daß Alessandro der Vater ihres dritten Kindes war. Giovanni mußte sich gehörnt und bloßgestellt vorgekommen sein. In seiner Nähe stand auch noch Alessandro. Wie mußte er ihn hassen! Und dann schlug er ihm vor, gemeinsam Wölfe oder gar Bären zu jagen!
»Mir wäre es lieber, ihr ließet den gemeinsamen Jagdausflug«, sagte sie möglichst beiläufig.
»Warum?« fragte Giovanni, ohne aufzublicken.
»Es ist zu gefährlich.«
Giovanni schaute auf. »Zu gefährlich für wen? Für die Bären?« In seinem Gesicht stand trauriger Spott.
Während der nächsten Wochen und Monate war von der Bärenjagd nicht mehr die Rede. In Rom ging ein schweres Unwetter nieder, begleitet von einem Sturm, der einen Kamin des Papstpalasts abknickte, ihn das Dach durchschlagen ließ. Alles stürzte auf die nächste Decke, unter welcher der Papst seine Audienz hielt. Die Balken hielten nicht stand und begruben den Papst und einen Teil seiner Begleiter. Drei Männer waren tot, der Papst konnte Stunden später – nur leicht verletzt – aus den Trümmern geborgen werden. Ein Wink Gottes und eine wunderbare Rettung zugleich?
Silvia las Alessandros Bericht mit zitternden Händen.
»Die wunderbare Rettung gilt auch für mich«, fuhr er fort, »denn ich assistierte dem Heiligen Vater während der Audienz. Gerade in dem Moment, als das Unglück geschah, stand ich in der Tür, um einen Gesandten hereinzuführen. So traf mich die niederstürzende Decke nicht. Wie kann ich dem Allmächtigen für seine erneute wundersame Rettung danken? Durch was habe ich sie verdient? Wir sind allzumal Sünder, aber ich, das weiß ich, bin ein schwerer Sünder – insbesondere an den Menschen, die mich lieben. An meinem Bruder Angelo, an meiner Schwester Giulia und der geliebten Mutter meiner Tochter.«
O Gott, dachte Silvia, warum kommt deine Einsicht erst jetzt! Aber dann fühlte sie sich selbstgerecht und schämte sich für ihren Gedanken.
Einige Wochen später, der Heilige Vater war kaum genesen, wurde Alessandro Zeuge eines weiteren schrecklichen Vorfalls. »Ich trat gerade«, las Silvia in seinem Brief, »aus dem Papstpalast kommend, in die gleißende Sonne des Platzes vor San Pietro, als ich sah, wie eine Gruppe von Männern fast direkt vor meinen Augen einen Reiter von seinem Pferd zerrten und auf ihn einstachen. Ich schrie um Hilfe, rief nach den Wachen und wollte dem Opfer zu Hilfe eilen. Die Bande ließ ab und verschwand, ohne daß ich sie in dem blendenden
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