Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Licht erkennen konnte. Der Überfallene war – du wirst es nicht glauben – Alfonso von Aragon, Lucrezias Ehemann, der Schwiegersohn des Heiligen Vaters! Am hellichten Tag, direkt vor San Pietro niedergestochen! Welches Sakrileg! Jetzt eilten auch schon die Frauen aus dem Palazzo bei Santa Maria in Portico herbei. Sie hatten Alfonso wohl nachgeschaut. Ich half, ihn in die Arme seiner schluchzenden Frau zu betten. Auch Giulia, meine Schwester, war dabei. Alfonso lebte noch, er war weniger schwer verletzt, als es ausgesehen hatte.
Der Heilige Vater sandte sofort die besten Ärzte, aber Alfonso befürchtete, er solle vergiftet werden, und ließ außer Lucrezia und Giulia niemanden in seine Nähe. Ja, die beiden kochten sogar für ihn. Auch ich, sein Retter, durfte zu ihm. Wir beteten zusammen und baten den gütigen Herrgott um baldige Genesung. Und ER erhörte uns.
Natürlich wirst Du fragen, wer solche frevelhafte Tat begangen oder angestiftet haben könnte. Nun, überfallen hatten Alfonso gedungene Mörder. Aber von wem gedungen? Ich wage es kaum niederzuschreiben, aber man munkelte sofort, Cesare selbst könnte die bravi geschickt haben. Er selbst behauptete, die Orsini seien es gewesen. Beweise vorzulegen blieb er uns schuldig.
So finden wir uns täglich im Palazzo der Lucrezia ein, pflegen den Kranken und beten mit ihm.«
Kaum hatte Silvia den Brief gelesen, stand für sie der Entschluß fest. Allein, ihr Gesicht durch einen Schleier bedeckt, würde sie zu dem Palast neben San Pietro reiten, um dort ihre Freundin Giulia zu besuchen. Dabei träfe sie dann auch auf Alessandro. Und mit ihm zusammen schaute sie sich die Pietà an. Davon hielt sie jetzt niemand mehr ab!
Als wenige Tage später ihr Gemahl unterwegs war und während der Siesta-Zeit schläfrige Stille im Haus herrschte, ließ sie sich Bianca satteln. Der Stallknecht murrte, tat aber, wie ihm befohlen wurde. Eigenhändig öffnete Silvia das Portal zur Straße. Noch bevor Giovannis Gefängniswärterinnen reagieren konnten, hatte sie sich schon auf den Rücken der Stute geschwungen und ritt davon.
Die Straßen glühten unter der August-Sonne. Sie begegnete Pilgergruppen, die die Aussicht auf reichlichen Ablaß sogar zu dieser Zeit zu den sieben Hauptkirchen Roms trieb. Die meisten Römer jedoch hielten sich in ihren Häusern auf oder dösten im Schatten vor sich hin.
Es gelang ihr tatsächlich, sich bei Madonna Giulia anmelden zu lassen. Schon auf der Treppe kam ihr die alte Freundin entgegen. Sie vergossen Tränen über Tränen. Und dann stand da auch Alessandro. Sie umarmte ihn, er küßte sie. Zum ersten Mal in ihrem Leben sah sie in die klugen, lebendigen Augen Lucrezias. Alle strahlten vor Freude darüber, daß Alfonsos Wunden so schnell heilten. Er selbst war aufgestanden, strahlte aber nicht vor Freude, sondern brütete in Wut und Angst. Er begrüßte Silvia kurz, nicht ohne Mißtrauen, und stellte sich dann ans Fenster, um über die vatikanischen Gärten zu schauen. Er hatte sich offensichtlich gerade mit Alessandro über Jagdwaffen unterhalten, über die jeweiligen Vorteile von Langbogen und Armbrust und wandte sich nun wieder seinem Gesprächsthema zu. Immer wieder spannte er einen Bogen, um Alessandro zu zeigen, wie schnell man mit einem Langbogen reagieren könne. Dann schoß er sogar Pfeile in den Garten und jubelte, als einer von ihnen im Stamm eines Obstbaums steckenblieb.
»Siehst du, und so schieße ich auch Hirsche ab.«
Alessandro spähte immer wieder zu Silvia hinüber, die ihre Blicke kaum von ihm abwenden konnte. Sie bat ihn mit sehnsüchtigen Augen, sich doch ihr zu widmen. Wieder spannte Alfonso den Bogen und zielte auf einen Gegenstand im Garten.
»Halt, was macht Ihr?« rief Alessandro plötzlich aufgeregt. »Ihr dürft nicht … das ist viel zu gefährlich.«
Alfonso lachte nur. »Da ist ja der Meuchelmörder! Den schieß ich ab!«
Und noch bevor Alessandro reagieren konnte, schwirrte der Pfeil von der Sehne, und draußen hörte man einen Schrei.
»Verdammt, daneben!« rief Alfonso.
Alessandro war bleich geworden.
»Was hast du getan, Geliebter?« Lucrezia eilte zu ihm.
Alfonso warf wütend den Bogen auf den Boden und nahm sich die Armbrust. Lucrezia und Alessandro fielen ihm in die Arme, aber er schüttelte sie ab. Dann ließ er die Armbrust sinken. »Jetzt hat er sich davongeschlichen. Aber ich kriege die Pestbeule schon noch.«
Alessandro nahm ihm die Armbrust ab, Lucrezia zog ihn zum Bett.
»Du mußt dich
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