Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
hervor.
Alessandro trat einen Schritt zurück und setzte seinen Satz mit betonter Gelassenheit fort: »Aber vielleicht solltest du dich lieber um deine Ehefrau Charlotte kümmern, bevor sie den Borgia-Stier für einen lendenlahmen Ochsen hält und aus lauter Langeweile auf falsche Gedanken kommt.«
Die Wirkung war schlagend. Cesare zuckte zurück und riß seinen Dolch aus dem Halfter. Genau dies hatte Alessandro erwartet. Bevor Cesare zustechen konnte, schlug er derart fest gegen das Handgelenk, daß der Dolch in einem hohen Bogen auf den Boden flog. Sofort hob ihn Giulia auf. Nun wollte sich Cesare auf Alessandro stürzen, aber sein Vater fiel ihm in die Arme. Die Kardinäle und Prälaten, die sich bisher in diskreter Entfernung gehalten hatten, weil sie sich nicht in den offensichtlich ausartenden Streit zwischen dem Herzog von Valence und Kardinal Farnese einmischen wollten, strömten herbei und schoben Alessandro zur Seite, während gleichzeitig der Gastgeber seine Gäste zusammenrief, weil nun ein besonderes Ereignis stattfinden sollte.
Cesare fluchte. Alessandro meinte zu hören, wie der Papst in dem Durcheinander seinem Sohn zurief: »Laß ihn, wir schlachten ihn später.«
Alessandro führte seine Schwester in den großen Saal, in dem der Gastgeber den Papst und seinen Sohn zu einem Thronsessel führte. Schnaufend ließ sich der Papst nieder, besitzergreifend stützte sich Cesare auf die Lehne. Mit dem Kopf winkte er seiner Mutter, und tatsächlich rauschte Vannozza herbei. Ein weiterer Sessel wurde ihr gebracht. Der Papst spähte in die Menge, weil er, so schien es Alessandro, Giulia suchte. Aber Giulia forderte ihren Bruder erneut auf, so schnell wie möglich das Festbankett zu verlassen – selbst auf die Gefahr hin, daß der Papst ihn am nächsten Tag maßregelte.
Alessandro wollte aber noch die Vorführung abwarten, die Castellesi sich ausgedacht hatte. Wahrscheinlich wurde es wieder ein obszönes oder blasphemisches Spektakel – gerade die Neulinge unter den Kardinälen, zumal diejenigen, die nicht, wie Castellesi, aus Rom stammten, überschlugen sich darin, die Vorlieben des Borgia-Papstes befriedigen zu wollen. Immer fand irgendein Hurentheater statt, nackte Hurenärsche ragten den Männern entgegen und sollten möglichst häufig coram publico gevögelt werden. Das Gekreische und Gelächter war dementsprechend. Wer sich am besten schlug, erhielt Preise. Accurse hatte als Geheimer Zeremonienmeister dieses Schauspiel für den Borgia-Papst erfunden – und welchen Lohn hatte er dafür erhalten?
Alessandro mußte auch an Ugo denken, der diesem Treiben entflohen war, und er sehnte sich danach, mit ihm zusammen an einem ruhigen Ort in der Provence zu sitzen und bei einem Becher Wein über die Liebe der Menschen in schwierigen Zeiten zu plaudern. In solchen Momenten hätte er sogar am liebsten seine Silvia und die Kinder aufs Pferd gesetzt und wäre nach Civitavecchia geritten, hätte dort ein Schiff nach Genua und Marseille bestiegen – warum nicht doch das Legat für das Comtat Venaissin übernehmen und eine Weile in Avignon leben? Statt dessen mußte er sich auf schwülen, moskitoverseuchten Kardinalsfesten langweilen und sich mit Cesare Borgia schlagen.
Es war peinlich gewesen. Ein Kardinal prügelte sich beinahe mit dem päpstlichen Gonfaloniere. Aber irgend etwas mußte heute in Cesare gefahren sein. Er suchte jemand, den er herausfordern konnte. Aber warum?
Laß ihn , wir schlachten ihn später .
Womöglich hatte der Vater seinen Sohn wie einen bissigen Kampfhund auf ihn, den Kardinal Farnese, gehetzt. Die Borgia wollten nach den Caetani, den Colonna und den Orsini endlich auch die Farnese enteignen. Gerade jetzt, während die Farnese wieder Nachwuchs erwarteten!
Plötzlich stand ein Mann in einer weißen Mönchskutte hinter ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. »Dreh dich nicht um! Ich möchte hier nicht erkannt werden.«
Eine Weile spürte Alessandro nur den Atem des Mannes, und er war sich nicht sicher, ob dies nicht ein Trick war, ihn unter all diesen Menschen umzubringen. War der Mann hinter ihm vielleicht Michelotto, Cesares Mann fürs Grobe? Oder einer der bravi , die man in Rom an jeder Straßenecke heuern konnte?
»Merkst du, wie nervös die Borgia sind? Sie spüren, daß ihre Zeit abgelaufen ist. Sie machen Fehler. Sie legen sich sogar mit ihren Anhängern an und setzen auf die falschen Männer.«
Alessandro versuchte, seinen Kopf zur Seite zu drehen, um endlich zu erkennen,
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