Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
wer da zu ihm sprach, ihn zudem noch duzte. Es konnte kein Fremder sein, er kannte die Stimme.
»Ich setze auf dich! Bleib ihnen haarscharf auf den Fersen, aber sei vorsichtig. Du hast Cesare tödlich beleidigt. Dies habe ich an seinem Gesicht gesehen. Wenn der Tumult nachher groß wird, verlaß mit Giulia rechtzeitig die Villa, sonst könnte es für dich brenzlig werden.«
Alessandro hörte nichts mehr, und als er sich endlich umdrehte, war die weiße Kutte verschwunden.
Und dann kündeten Trommelwirbel, falsches Trompetengeschmettere und piepsige Flötentöne die angekündigte Aufführung an. Ein Vorhang wurde zurückgezogen, und man sah einen Altar mit zwei große Kerzen an beiden Seiten. Auf diesem Altar lag mit herunterhängenden Beinen wie ein Opfer eine nackte Frau, deren Scham ein schmales Tuch bedeckte. Die Trompeten beendeten ihr falsches Schmettern, die Trommelwirbel wurden von dumpfen Paukenschlägen abgelöst. Von der Seite zog nun eine Reihe sehr junger Mädchen herein, die mit einem halb durchsichtigen Schleierumhang bekleidet waren, und ihnen folgte eine Männergestalt, die auf der Schulter eine Minotaurus-Maske trug. Die Mädchen gruppierten sich kniend um den Altar, beugten ihr Haupt, und der Minotaurus schritt zu dem weiblichen Opfer, hob das Tuch zwischen den Beinen.
Der Papst schaute abwartend lächelnd, Cesare verächtlich. Aus dem Publikum hörte man A- und OLaute, und als der Minotaurus den Mantel abwarf und sein Phallus riesig in die Luft ragte, brachen die Zuschauer in Beifallsgelächter und Anfeuerungsrufe aus.
Genau solch ein obszönes Spektakel hatte Alessandro erwartet. Kein anständiges Fest in Rom ohne öffentliche Kopulation – diesmal in mythologischer Verkleidung. Tatsächlich beugte sich der Minotaurus nun über den Altar und führte langsam seinen aufgereckten Schwanz in das Opfer. Die Mädchen um den Altar schrien wie auf Befehl gleichzeitig auf.
Während der Minotaurus bei seiner heftigen Stoßarbeit ins Schwitzen geriet und die Mädchen stöhnten, ließ Alessandro immer wieder seinen Blick über die Borgia gleiten. Vannozza wirkte gelangweilt, Cesare wandte sich seinem Vater zu, um ihm etwas zuzuflüstern. Der Papst nickte, schaute aber gleichzeitig, schief grinsend, auf das Opferfest des Minotaurus. Natürlich wußte jeder im Raum, daß mit dem Stiermenschen die Borgia-Männer gemeint waren, insbesondere Cesare, und es dachte gewiß nicht nur Alessandro an Caterina Sforza, die nach der Eroberung der Festung ihren Körper hatte öffnen und opfern müssen. Ob Castellesi sich bewußt war, daß Cesare eine solche Anspielung womöglich wenig humorvoll aufnahm – schon gar nicht bei der Laune, die er heute an den Tag legte?
Jeden Stoß des Minotaurus begleitete nun ein rhythmisches Klatschen und Anfeuern. Auch der Papst ließ sich hineinziehen. Nur Cesares Gesicht wurde immer finsterer, und nun bemerkte Alessandro, wie er ihn anstarrte. Wahrscheinlich sah er in ihm den Anstifter dieses Spiels.
Das Getrommele endete plötzlich, ein Aufschreien der Zuschauer: Der Minotaurus zückte einen Dolch und hielt ihn über sein Opfer, als wolle er jeden Augenblick zustoßen. In diesem Augenblick aber schob sich eine mächtige Gestalt durch die aufspringenden Mädchen: eine Frau, in der Taille enggeschnürt, in einem weiten, überlappenden Reifrock. Ihre riesigen Brüste lagen, durch ein Stoffgeflecht gestützt, frei, als hätten sie gerade wie zwei einäugige Urwelttiere das enganliegende Oberkleid gesprengt. Das einäugige Gesicht der Frau war entstellt. Wild und drohend starrte sie wie eine Rachegöttin auf den Minotaurus.
Auf einer flachen Kopfbedeckung hockte bewegungslos ein Rabe. Beide Arme riß sie nun hoch, in der einen Hand hielt sie eine sich windende Schlange, in der anderen eine rote Rose. In einer blitzschnellen Bewegung steckte sie die Rose dem Minotaurus zwischen seine Hörner und hielt nun auch in der freigewordenen Hand eine Schlange.
Alessandro wußte längst, wer da so drohend vor dem Minotaurus stand. Als er sich aus dem Opfer zurückzog, stürzten sich die Mädchen mit triumphierendem Geschrei auf ihn, entrissen ihm seinen Dolch und stießen auf ihn ein. Die Schlangengöttin stand noch immer in ihrer Rächerhaltung hinter dem Altar und warf dann in einer blitzschnellen, unerwarteten Bewegung die Schlangen dem Papst und seinem Sohn vor die Füße.
Der Papst zuckte zurück und starrte mit offenem Mund auf die sich vor ihm ringelnde Schlange, Cesare war
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