Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
unter den Mauern der Burg standen und sie aufforderten, das Tor zu öffnen. Zum Glück gab es in Viterbo mehr zu holen, und so zog die Bande wieder ab. Aber einen geharnischten Protest hatte Alessandro doch dem Heiligen Vater zukommen lassen – und auch seinem selbstherrlichen Sohn. Der hatte nur geknurrt: »Ich kann zur Zeit keinen Sold zahlen, und da muß man die Soldaten auf andere Weise entschädigen.« Und ihm einen giftigen Blick zugeworfen.
Sein Vater hatte milde ergänzt: »Wir verstehen Euren Unmut und den Eurer verehrten Frau Mutter, lieber Farnese, aber gelegentlich gibt es Zwänge, denen auch Wir uns unterwerfen müssen. Außerdem sind beide Städte durch die Pilgerströme so wohlhabend, daß sie einen kleinen sacco verkraften können.« In diesem Punkt hatte der Papst nicht ganz unrecht. Die Zahlungen, die aus Montefiascone an ihn flossen, ließen sich sehen.
Alessandro merkte, wie die Bedenken, die ihn gerade wie ein kalter Luftzug hatten frösteln lassen, abebbten und wie die wohlige Wärme des zu erwartenden Wohlstands ihn umhüllte – außerdem trug Silvia, seine geliebte Silvia, die Mutter seiner Tochter Costanza, ein weiteres Kind von ihm unter dem Herzen. Und sein Astrologe hatte ihm einen Sohn prophezeit. Einen Erben! Als mögliches Lebensziel nannte er den Herzogstitel. Noch war das Kind gar nicht geboren, und der Wahrsager sah schon den Herzogtitel in erreichbarer Nähe – Alessandro schaute ihn skeptisch an. Aber dieser lächelte nur wissend. »Euer Sohn wird ein Löwe, und sein Aszendent steht wahrscheinlich im Mars, ein Sieger, der auch in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt wird. Warten wir ab, bis der junge Mann geboren ist, dann kann ich Genaueres sagen. Aber auch für Euch stehen die Sterne zur Zeit günstig. Die Venus ist im 7. Haus, Jupiter im 10. Wißt Ihr, was das bedeutet? Eine harmonische Verbindung steht Euch bevor. Und das 10. Haus weist auf finanzielle Erfolge hin. In Eurer Laufbahn strebt Ihr einem Höhepunkt entgegen.«
Der Astrologe meinte Silvia und das Bistum – er traf ins Schwarze. Die Sterne sagten tatsächlich die Wahrheit, sie waren die Geheimschrift Gottes – man mußte sie nur richtig zu deuten wissen. Nicht alle Astrologen waren dazu in der Lage, wie ja auch nicht alle Kardinäle besonders gute Seelenhirten waren, nicht alle Krämer besonders reich und nicht alle Juden Wucherer. Sein neuer Astrologe, ein graubärtiger Glatzkopf, berechnete für seine Beratungen einen hohen Preis, aber er verstand sein Handwerk. Alessandro verstaute den silbernen Zylinder in einem neuen Sekretärsschrank, den er gleich nach der Ernennung zum Bischof von Montefiascone erworben hatte und der nun das Schmuckstück seines Studios darstellte. Schöne Intarsien stellten mythologische Szenen der Griechen dar, die Säulen waren als Karyatiden geschnitzt. Die Wand, vor der der Sekretär stand, hatte er von einem der besten Kunsthandwerker der Stadt mit Holzkassetten bedecken lassen, in die ebenfalls Intarsien nach seinem Auftrag eingearbeitet wurden. Begonnen hatte der Mann mit heraldischen Symbolen der Farnese- und CaetaniFamilie. Folgen sollten biblische Szenen, umrahmt von Sinnsprüchen seines Lebens, zum Beispiel von Werde , der du bist und Erkenne dich selbst . Oder auch von dem Dante-Spruch, auf den er erst kürzlich gestoßen war und den er sofort an Silvia weitergegeben hatte: Geh deinen Weg und laß die Leute reden !
Leider weilte Michelangelo, der große Meister der Pietà , nicht mehr in Rom, sonst hätte er bei ihm sofort eine Arbeit in Auftrag gegeben, wahrscheinlich eine Madonna mit Kind. Aber zur Zeit arbeitete der Meister an einem David für die Piazza della Signoria in Florenz und fand keine Zeit, für seine alten Freunde zu meißeln.
Alessandro ließ seine Hand über die geschnitzten Mädchenkörper des Sekretärs gleiten und genoß die Berührung des festen, glatten Holzes. Er liebte es, seine Hand über verschiedene Materialien gleiten zu lassen, ebenso wie er es liebte, über Silvias sanfte Haut zu fahren oder ihre Kinder zu streicheln. Sie könnte er überhaupt jeden Tag lange in den Arm nehmen, herzen und küssen, um sich dann von ihnen in ihr Spielzimmer führen zu lassen. Ob mit Puppen oder Holzrittern, Kreiseln oder Pferdchen, er spielte mit allem. In ihrer Gegenwart vergaß er das steife, würdige Gebaren, das er im Vatikan oder bei der Messe an den Tag legen mußte und das ihm im Grunde zuwider war. Manchmal nahm er auch die Jungen beim Reiten
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