Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
geringeres Treiben, aber auch hier war das Portal verschlossen. Er klopfte und rief, niemand erschien. Er ging zum Hintereingang: auch dieser war verschlossen, und keiner antwortete auf sein erneutes Rufen. Als er wieder vor dem Portal stand, fiel sein Blick auf die alte Bettlerin, die an der gegenüberliegenden Hauswand hockte und ihre knöchernen Fingerkrallen ausstreckte.
Alessandro warf ihr einen Denaro zu und fragte: »Weißt du, ob die Herrin« – er wies auf Silvias Palazzo – »zu Hause ist?«
Die Münze verschwand unter dem schwarzen, vor Schmutz starrenden Sackleinen, in das die Alte sich gehüllt hatte. Krächzend lachte sie: »Ich kenne Euch, Ihr seid der Kardinal von Santi Cosma e Damiano.«
Alessandro erschrak, fing sich aber sofort wieder: »Was tut das zur Sache?« Am liebsten hätte er der Alten einen Fußtritt versetzt, damit sie sich zu einer Antwort herabließ, aber sie gab nur immer weitere Krächzlaute von sich, von denen er nicht wußte, ob sie menschliche Sprache oder höhnisches Gelächter sein sollten.
Zum Glück schob sich eine junge Hure heran, die im Schatten des Hauseingangs gehockt hatte. Auch ihr drückte er einen Denaro in die Hand und gleich einen zweiten. Aber sie hielt noch immer die Hand auf. Also gab er ihr einen Silberdukaten.
»Was soll ich machen?« flüsterte sie, nahm seine rechte Hand, führte sie zwischen ihre Schenkel und griff mit der anderen nach seiner Schamkapsel.
»Nichts!« Er versuchte, sie abzuwehren, aber sie drängte sich nur noch enger an ihn heran. »Ich will wissen, ob Signora Ruffini – Signora Crispo zu Hause ist.«
Die junge Hure versuchte, ihn in den Hauseingang zu ziehen, und er meinte, in einer dunklen Ecke eine Gestalt sich bewegen zu sehen.
»Ihr seid der Kardinal, der sie geschwängert hat, nicht wahr?«
Die Alte lachte wieder krächzend.
»Wir wissen hier alle Bescheid.«
Alessandro riß sich los und zerrte die Hure ins Licht. »Bekomme ich jetzt eine Antwort?«
Das Mädchen warf ihre Lippen zu einem verächtlichen Grinsen auf. »Sie ist weg. Zusammen mit der Hexe. Aber mit diesem Bauch« – sie machte eine ausladende Geste – »kommt sie nicht weit.«
Alessandro schwang sich in den Sattel. Bevor er losritt, rief das Mädchen noch: »Im Augenblick schwirren überall Hexen herum, und die Teufel holen sich ihre Opfer.«
Verärgert trabte Alessandro davon, verfolgt von zweistimmigem Gelächter. Er war sich noch nicht einmal sicher, daß die Hure die Wahrheit gesagt hatte. Und jetzt merkte er auch, daß sie ihm mehrere Golddukaten aus der Schamkapsel gezogen haben mußte, daß sie sogar die Geheimtasche seines Wamses geöffnet hatte. Am liebsten wäre er umgekehrt und hätte ihr mit dem Degen einen Streich über die nackten Beine gegeben. Aber die Unruhe trieb ihn zurück zum Campo de’ Fiori. Silvia war nicht zu Hause – wenn das stimmte, wo konnte sie sein? Vielleicht im Haus der Crispo? Falls tatsächlich der Papst und sein Sohn im Sterben lagen und kein Mann die Mutter mit ihren Kindern schützte, konnten die Crispo es durchaus wagen, die Kinder zu entführen. Und die Mutter gleich mit.
Alessandro fluchte, daß er Rom verlassen hatte. Er brauchte jetzt Klarheit über den Papst und seinen Sohn, er mußte zudem della Rovere erreichen. Er mußte zur Stelle sein, wenn es galt, einen neuen Papst zu wählen. Er mußte seine Stimme in die Waagschale für della Rovere werfen. Nicht nur, weil il terribile es erwartete, sondern weil auch für ihn selbst die Zukunft auf dem Spiel stand. Ein borgiatreuer Spanier als Papst bedeutete die uneingeschränkte Macht des Valentino , bedeutete ein Terrorregiment des Cesare Borgia und womöglich das Ende seiner Laufbahn – und seines Lebens. Dann kamen die Meuchelmörder, früher oder später.
Alessandro eilte zu seinem Palast und ließ sich dort ankleiden. Seine Diener wußten Genaueres über die Krankheit des Papstes und seines Sohnes zu berichten. Er habe sich bald nach dem Bankett bei Kardinal Castellesi unwohl gefühlt, plötzlich hohes Fieber bekommen und Galle gespuckt, erklärte Alessandros Kammerherr. »Dann hat man ihn zur Ader gelassen und dreizehn Unzen Blut abgezapft. Da ging es ihm sofort besser, und er spielte mit den Kardinälen Karten. Aber seitdem geht es mit ihm bergab. Wer weiß, ob er noch lebt.«
»Von seinem Ableben haben wir noch nichts gehört«, mischte sich der Hausverwalter ein.
»Und was ist mit dem Herzog von Valence?« fragte Alessandro.
»Er liegt ebenfalls mit
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