Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
gegen die Usurpatoren des Patrimoniums bildete.
Und er mußte Silvia wiedersehen.
Alessandro ruderte nach Capodimonte zurück und verabschiedete sich von seiner Mutter, die ihn mit Tränen in den Augen segnete. »Du sollst einmal Papst werden, mein Junge, wie dein Urahn Benedetto, denk immer daran und begib dich nicht in Gefahr. Du wirst die Katalanensippe überleben.«
Er umarmte und küßte sie, und während er ihren schmalen, knochig gewordenen Körper in den Armen hielt, fühlte er plötzlich wieder, daß er sie liebte. Sie hatte ihn auf einen Lebensweg gedrängt, der ihm nicht genehm war, aber sie hatte trotz allem immer an ihn geglaubt. Sie konnte ihre Liebe nicht so zeigen wie der Vater, dem der Stolz auf seinen Sohn ins Gesicht geschrieben stand, sie mußte ihre Liebe hinter herrischem Verhalten verbergen. Aber verfolgten sie alle drei nicht die gleichen Ziele?
Als Alessandro durch die Porta del Popolo ritt, merkte er schon, daß etwas Entscheidendes in der Stadt geschehen sein mußte. Wachen waren kaum zu sehen, wer noch eine Hellebarde hielt, torkelte betrunken umher. Gleichzeitig standen überall bewaffnete junge Männer in Gruppen zusammen. Die Preise für einen Krug Wasser, die die Wasserträger ausriefen, hatten sich deutlich erhöht, und auf den Straßen fanden sich kaum noch die Stände der Geldwechsler. Die billigen Huren und die Bettelmönche wirkten aufdringlicher als gewöhnlich.
Es dauerte nicht lange, da erfuhr Alessandro, woher die Unruhe stammte. Der Heilige Vater liege mit hohem Fieber darnieder, berichtete ein Priester. Ein Eselstreiber rief, mit den Armen fuchtelnd: »Vergiftet wurde er, der Blutsauger, es geschieht ihm recht, und sein Sohn verreckt gleich mit!«
Bevor Alessandro sich versehen hatte, war er von einer Gruppe Menschen umgeben, die alle durcheinander sprachen.
»Die Hexe hat sich gerächt.«
»Der Teufel holt ihn, die Zeit ist abgelaufen, elf Jahre nach dem Satanspakt fährt er zur Hölle und nimmt den Bastard gleich mit!«
»Er zieht dem Mordsohn bei lebendigem Leibe die Haut ab. O Gott, was gönne ich ihm das!«
Alessandro versuchte, aus dem Gewirr der Stimmen herauszuhören, was nun wirklich geschehen war, aber erst, als ihn ein Herr aus einem Bankhaus vom Rione di Ponte zur Seite nahm, erfuhr er, was man sich in den informierteren Kreisen erzählte. Nach einem Bankett bei einem der neuernannten Kardinäle seien fast alle Gäste krank geworden, wahrscheinlich vergiftet, sogar der Gastgeber selbst. »Die einen berichten, der Herzog von Valence habe Kardinal Castellesi ermorden wollen, mit Zustimmung seines Vaters, um sich nach altbekanntem Muster seine Reichtümer anzueignen, aber der vergiftete Wein sei verwechselt und von den Attentätern selbst getrunken worden. Andere glauben, Castellesi habe die Borgia vergiftet, angestiftet und bestochen von den Orsini, und habe eine Krankheit vorgetäuscht, um den Verdacht von sich abzulenken. Dann erzählen manche, eine vom sfregio entstellte ehemalige Kurtisane der Borgia habe sich rächen wollen. Vater und Sohn seien von ihren Giftschlangen gebissen worden. Außerdem habe sich Cesare Borgia mit Kardinal Farnese gestritten, womöglich stecke auch dieser noch hinter dem Attentat, obwohl er als Freund und Kampfgenosse Cesares gelte.«
Alessandro hörte geduldig zu, was der Bankier noch zu berichten hatte. »Rom schwirrt von Gerüchten«, schloß er seine Ausführungen, »von überallher strömen die Orsini, die Colonna und all die anderen herbei, die unter den Borgia zu leiden hatten, die Anarchie bricht wieder aus, wie immer, wenn ein Papst stirbt – dabei leben Vater und Sohn noch. Wehe, wenn sie überleben, dann wird es ein Blutbad geben!«
Alessandro dankte dem Mann und schwang sich wieder auf den Rücken seines Pferdes. Die Anarchie einer beginnenden Sedisvakanz konnte ihm nützen, und Cesares Krankheit bewahrte ihn wenigstens eine Weile vor einer Verfolgung – falls sie wirklich geplant war. Aber vorsichtig mußte er sein, denn dazu war die Lage zu unübersichtlich. Wer jetzt mordete, brauchte den Bargello nicht zu fürchten, höchstens Blutrache und anhaltende Fehde.
Alessandro ritt zu seinem eigenen Palazzo. Das Portal war verschlossen, und vor ihm lungerten eine Reihe von Gestalten herum, die ihm suspekt erschienen. Aber noch hatte ihn niemand erkannt und auch nicht angesprochen, und so lenkte er sein Pferd unauffällig zum Rione della Pigna, zu Silvias Palazzo. In den Gassen um das Haus herrschte wesentlich
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