Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
gehen?«
Della Rovere hatte ihn regelrecht überrannt. Ja, Alessandro würde gehen. Er begab sich in die Höhle des sterbenden Löwen. Falls sich Cesare wirklich an ihm rächen wollte – er würde es nicht in den Gemächern des Vatikans tun, nicht in Anwesenheit seines sterbenden Vaters. Falls Cesare noch bei Verstand war, wußte er, daß es jetzt galt, seine eigene Haut zu retten …
»Hat sich wirklich Cesares Haut nach einem Bad im Eiswasser abgelöst?« fragte Alessandro.
»Ja, ja«, stieß della Rovere begeistert aus, »das Fieber fiel, aber die Haut fiel auch!« Er lachte und schlug sich auf den Schenkel, wurde aber schnell wieder ernst und zog Alessandro an sich heran. »Was macht denn deine kleine Ruffini? Ist es nicht soweit? Denk daran: Wenn ich Papst werde, legitimiere ich dir deine Kinder sofort!«
Alessandro befreite sich aus der Umarmung. »Ich fand Silvia nicht in ihrem Haus. Aber vielleicht hat sie nur nicht geöffnet. Sie fürchtet, der alte Crispo könnte ihre Kinder entführen lassen. Versteht Ihr, ich habe ebenfalls Angst …«
»Verstehe ich! Daher jetzt schleunigst in den Vatikan! Und wenn alles geklärt ist, wird dir ein Sohn geboren, ein echter Farnese. Ich werde sein Taufpate sein. Den alten Crispo knacken wir wie einen Floh!«
Alessandro trat in die Privatgemächer des Papstes, nachdem diesem gerade von Kardinal Gamboa die Beichte abgenommen worden war. Gamboa begann nun, vor dem im Bett liegenden Papst und weiteren fünf Kardinälen die Messe zu lesen. Alessandro nickte ihnen zu, und alle nickten sie mit ernstem Gesicht zurück. Der Papst wirkte apathisch. Nach dem Credo richtete er sich ein wenig auf, und Gamboa spendete das Sakrament der Eucharistie.
Dann sank der Papst erneut in die Kissen zurück. Die Messe wurde zu Ende geführt. Anschließend erhielt der leise vor sich hin röchelnde Sterbende die Letzte Ölung. Seine Wangen waren eingefallen, die Gesichtsfarbe war fahl, die halbgeschlossenen Augen lagen tief in den Höhlen. Die Kardinäle standen, die Hände gefaltet, um sein Bett, sprachen noch ein Gebet und warteten stumm auf Borgias Ableben. Fast alle waren sie Spanier, fiel Alessandro auf, zwei von ihnen sogar aus der Borgia-Familie. Casanova, der Kardinalkämmerer, wirkte nervös und befingerte immer wieder die Schlüssel, die an einem Gürtel hingen. In der Tür standen noch ein paar Reitknechte und schauten auf die purpurroten Totenvögel um das Bett des Heiligen Vaters, im Nebenraum hörte man sie lachen.
Alessandro vermißte Borgias Kinder. Wenn schon Cesare seinem Vater aus Krankheitsgründen nicht die letzte Ehre erweisen konnte, wo waren Jofrè, Vannozzas jüngster Sohn, und der Infans romanus? Ließ man sie nicht vor? Nur Lucrezia konnte aus Ferrara, wohin sie zum dritten Mal verheiratet worden war, nicht in so kurzer Zeit heraneilen, sie war entschuldigt.
Nach einem Segenszeichen verschwanden die Kardinäle, einer nach dem anderen. Bald standen neben Alessandro nur noch Casanova und Gamboa. Aber auch Gamboa zog sich, etwas Unverständliches murmelnd, zurück. Casanova schaute ihm ängstlich nach und flüsterte Alessandro zu: »Könnt nicht wenigstens Ihr eine Stunde mit mir wachen?« Sein Lippen zeigten Verachtung. »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Da machen Kardinäle keine Ausnahme.«
Alessandro nickte. Mit leiser Stimme erkundigte er sich: »Hat der Heilige Vater eigentlich nach seinen Kindern gefragt? Und kann sich der Herzog von Valence nicht wenigstens für kurze Zeit aus dem Bett erheben? Er liegt doch nur ein Stockwerk höher?«
Als hätte der Papst Alessandros Worte verstanden, stöhnte er auf bewegte die Lippen. Alessandro nahm einen Wasserkrug und träufelte ihm vorsichtig Wasser in den Mund. Der Papst schien nun seine Augen öffnen zu wollen, aber dann stieß er einen Seufzer aus und bewegte sich nicht mehr. Er schien tot zu sein. Doch kurz darauf hörte man ein weiteres Stöhnen, und wieder bewegten sich die Lippen.
Alessandro und Casanova schauten sich an. Der Kämmerer hob die Schultern. »Der Heilige Vater hat nach keinem seiner Kinder gefragt, auch nicht nach dem Herzog. Sein Sohn hat noch nicht einmal die Schlüssel zu den Privatgemächern. Nur ich habe sie. Und Ihr wißt ja, was nach dem Ableben des Heiligen Vaters geschieht. Das Dienergesindel wird alles plündern. O Gott, daß der Herr dies zuläßt!« Er seufzte tief, legte die Hände zusammen und schloß die Augen zu einem Gebet. » Pater noster , qui es in caelis
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