Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Casanova allein an der Bahre, während die Soldaten fackelschwingend und fluchend San Pietro verließen. Die drei schoben die Bahre zu einem Platz zwischen Hauptaltar und Thronsitz. Keuchend umringten sie schließlich den Toten.
»Und wenn jetzt einer von denen kommt, denen der Heilige Vater Unrecht getan hat, um sich zu rächen?« fragte Casanova leise.
»Keine Wache wird ihn schützen«, sagte Burchardus. »Jeder wird ihn schänden können.«
Also schoben die drei die Bahre hinter das Absperrgitter der nächsten Kapelle und ließen sie dort stehen.
Alessandro eilte nach Hause und schlief ein paar Stunden. Kaum war er aufgewacht, ritt er, ohne etwas gegessen zu haben, zum Rione della Pigna. Noch immer wies ihn Silvias Palazzo mit verschlossenen Türen ab. Er suchte nach der Bettlerin und der kleinen Hure: Beide waren verschwunden. Das Viertel wimmelte von bewaffneten Colonna-Anhängern, und er hörte schon von den ersten Zusammenstößen mit den Orsini-Leuten. Rauch stand überall am Himmel.
Mühsam schlug sich Alessandro zum Vatikan durch. In San Pietro hatten sich vor dem Absperrgitter viele Menschen versammelt. Er versuchte, sich durch die Menge bis zur Kapelle vorzuarbeiten, aber vergeblich. Er verstand nur »Neger« und »Affe« und »brodelndes Höllenfeuer«. Manche Männer verließen, grün im Gesicht, fluchtartig die Kirche, andere übergaben sich mitten im Heiligsten des christlichen Glaubens. Als Alessandro sich ein wenig zurückzog, konnte er ein Gespräch zweier Männer hören, denen beide der Schrecken ins Gesicht geschrieben stand.
»Der Teufel, ich habe es immer gesagt, der Teufel …«, preßte der eine heraus.
»Ja, der Leibhaftige ist als Affe ins Totenzimmer gedrungen, das hat einer der Diener gesagt …«
»Und hast du gesehen, wie es aus dem Mund schäumte? Im Körper muß es brodeln …«
»Der liegt schon auf dem Höllenrost, ist schwarz wie ein Neger.«
»Die Zunge! Wie bei einem geschlachteten Ochsen.«
»Laß uns an die frische Luft gehen, hier stinkt es erbärmlich!«
Erst abends gelang es Alessandro, sich dem Toten so weit zu nähern, daß er ihn sehen konnte. Tatsächlich hatte sich der Kopf des Verstorbenen fleckig eingeschwärzt, die Nase war aufgeschwollen, der Mund offen, und aus ihm quoll in doppelter Größe eine schwarze Zunge hervor. Der ganze Körper war aufgedunsen und stank nach Verwesung.
In der Sakristei traf er Burchardus, der plante, mit ein paar Lastenträgern den aufgebahrten Papst in die Kapelle Santa Maria delle Febbri zu schaffen und ihn dort vorläufig beizusetzen.
»Ja, aber …«, sagte Alessandro, »wird denn niemand …?«
»Wollt Ihr …?« fragte ihn Burchardus verbittert.
»Ich allein? Nein!«
»Na also!«
Die Bahre wurde durch die schweigende Menge zur Kapelle getragen, und dann schloß man die Tür. Zwei Tischler hatten einen Sarg herbeigeschafft, aber nun stellte man fest, daß er zu klein war. Die Lastenträger hielten sich die Nase zu und verschwanden. Die Tischler warfen die Mitra achtlos auf den Boden, wickelten den Toten in einen Teppich und legten ihn auf den Sarg. Er paßte noch immer nicht hinein. Schließlich drückten sie heftig und halfen mit Faustschlägen nach. Dann hämmerten sie den Deckel zu und schoben den Sarg in die geöffnete Wand.
Alessandro versuchte zu beten, aber der Mund hatte sich ihm verschlossen. Burchardus neben ihm ging es ähnlich. Als die Tischler fluchend die Kapelle verlassen hatten, schauten sich die beiden Männer an. Alessandro hob die Mitra auf, klopfte den Staub von ihr ab. »Was soll ich mit ihr machen?«
»Behaltet sie!« sagte Burchardus entschieden. Und nicht ohne Hohn in der Stimme fügte er an: »Vielleicht könnt Ihr sie noch einmal gebrauchen.«
63. K APITEL
Und nun begannen die Wehen. Silvia rief nach Rosella. Sie kam sofort herangekrochen und hielt ihr die Hand. Neben ihr im Stroh die Köpfe der drei schlafenden Kinder. In einer Reihe die zugedeckten Vogelbauer. Langsam, dann immer schneller zog sich ihr Unterleib zusammen, er schien schließlich von eiserner Hand umschlossen und zusammengepreßt zu werden, und ein heftiger Schmerz stieg bis zum Rücken hoch.
»Muß ich hier wirklich das Kind auf die Welt bringen, in diesem Dreck?« flüsterte Silvia unter größter Anstrengung.
»Du mußt noch bis zum Morgen durchhalten«, antwortete Rosella und tupfte ihr den Schweiß von der Stirn, »dann hole ich Hilfe. Hier in Bolsena wird es sicher eine Hebamme geben.«
»Du darfst mich nicht
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