Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
Vom Netzwerk:
der Priester mit Ippolita treiben wollte – er würde das tun, was auch der Vater mit Rosella tat. Silvia war ins Kloster gesperrt worden, damit sie ihn nicht wieder beobachten konnte, und stieß hier auf die gleiche Sünde. Sie fühlte eine ohnmächtige Wut in sich hochsteigen, und als sie sah, wie der Priester Ippolita zu entkleiden begann, spürte sie gleichzeitig einen würgenden Ekel. Aber auch etwas anderes, das noch stärker als dieser Ekel war.
    Vorsichtig zog sie sich zurück. Als sie die Tür zum Chorraum öffnen wollte, erstarrte sie. Durch die Kirche huschten ganz deutlich mehrere Wesen, und irgendwo versuchte ein Mädchen vergeblich, das Kichern zu unterdrücken.
    Um nicht entdeckt zu werden, schlich Silvia den Gang zur Sakristei zurück. Die Tür war nun verschlossen, aber sie vernahm deutlich Stöhnen und Hecheln. Und dann einen unterdrückten Schrei. Eindeutig einen Schmerzensschrei. Mehrere klatschende Schläge folgten, wieder ein Schrei und dann eine bittende Stimme. »Erlöst mich«, meinte sie zu verstehen. Es mußte Ippolita sein, die Mutter Oberin. Sie wurde bestraft – oder gequält … Silvia hielt ihr Ohr an die Tür. Ein gieriger Laut, ein Aufstöhnen, ein erneuter Schrei, der in Wimmern überging und schließlich in eine alles verschluckende Stille.
    Weil sie befürchtete, jeden Augenblick könnte der Priester die Tür öffnen und sie hineinziehen, mit ihr das anstellen, was er mit Ippolita getan hatte, eilte Silvia zum Chorraum zurück, riß die Tür auf und rannte am Altar vorbei, dann durch den Mittelgang zum Ausgang der Kirche. Es war, als scheuchte sie die Hölle auf. Erschrockene Schreie, aufspringende nackte Körper, verwischende Schatten, Rufe. Eine Hand griff nach ihr und wollte sie zwischen eine Bankreihe zerren. Sie schlug und trat, lief weiter. Sie wollte nur noch ihre Zelle erreichen. Im Kreuzgang stand plötzlich wieder die Satansmaske vor ihr. Ja, es war der Satan, und er lachte, ein tiefes, männliches, höhnisches Lachen. Er stellte sich ihr in den Weg, aber blitzschnell wich sie ihm aus, duckte sich unter seinen Händen hinweg und sprang die Treppe hoch. Schon war sie in ihrer Zelle und verriegelte die Tür. Atemlos kniete sie vor ihrem Kruzifix nieder und stammelte ein Ave Maria . Es folgten das Vater noster und das Credo . Langsam wurde sie ruhiger. Als sie merkte, daß sie vor Kälte schlotterte, legte sie sich auf ihre Pritsche und deckte sich zu.
    Bis zum Morgen schloß sie nicht mehr die Augen. Sie hörte noch leises Flüstern und Huschen auf den Gängen.
    Als nicht zur Frühmesse geläutet wurde, weckte sie Giulia und Clarissa. Die beiden Freundinnen hatten fest geschlafen und nichts bemerkt. Silvia begann ihnen die Erlebnisse der Nacht zu erzählen. Mit brennender Neugierde hörten sie zu, stießen Laute der Empörung aus und forderten Silvia auf, ganz genau zu berichten, was sie gesehen hatte.
    Die Sonne ging auf, und noch immer läutete keine Glocke. Aber in die Zelle drangen aufgeregte, schrille Rufe. Die drei Freundinnen schauten sich an, Silvia öffnete vorsichtig die Tür.
    Eine vorbeihastende Schwester schrie ihr zu: »Die Mutter Oberin ist fort!«

10. K APITEL
    Alessandro konnte noch gar nicht fassen, daß ihm die Flucht aus dem sichersten Kerker der Stadt gelungen war. Aber sie war ihm gelungen! Er hatte alles auf eine Karte gesetzt – und gewonnen! Er hatte sich fallengelassen, und der barmherzige Vater hatte ihn aufgefangen. ER liebte ihn, ER verstand ihn und half ihm. Endlich frei! Keine stickige Hitze mehr, kein Gestank und auch kein betrunkener Herr mehr über Fledermäuse, Ochsenaugen und Ziegenböcke. Nie wieder würde er sich einsperren lassen, nie wieder!
    Und doch konnte er seine Freiheit noch nicht genießen. Erneut hockte er in einem Raum, eingeschlossen von dicken Wänden, und durfte nicht hinaus auf die Straßen, unter die Menschen, unter Gottes weitspannenden Himmelsbogen. Er rannte im Zimmer auf und ab und warf sich schließlich auf das weiche Bett. Über ihm ein samtroter Baldachin. Frisch gebadet, neu eingekleidet, geschützt vor den Zugriffen der sbirren konnte er die Nacht verdämmern und von seiner Zukunft träumen.
    Er war nach seiner Flucht zum Porto di Ripetta geritten und hatte sich bei Tagesanbruch über den Tiber setzen lassen. Dann trabte er möglichst unauffällig durch die langsam erwachenden Straßen der Stadt. Die ersten Bettler streckten ihm trotz seines verdreckten Aufzugs die Hand entgegen, auch die kleinen

Weitere Kostenlose Bücher