Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Sein Steiß schmerzte höllisch. Nach dem dritten Versuch saß er auf dem Rücken des Tieres und lenkte es vorsichtig in den sich langsam aufhellenden Morgen.
9. K APITEL
Silvia und ihre beiden Freundinnen steckten häufig verschwörerisch die Köpfe zusammen, während sie die Antwort auf ihre Briefe erwarteten. Im Lateinunterricht paßten sie nur wenig auf, so daß ihnen schon Carcer angedroht wurde. Die Mutter Oberin war selten zu sehen, und wenn, dann hatte sie plötzlich kaum mehr Zeit für die ihr Anvertrauten. Sie flatterte durch die Gänge wie ein verfolgtes Huhn, das ahnt, daß es dem Beil nicht entgehen wird.
Nachts lag Silvia oft wach, und während von draußen seltsame Schreie und Rufe hereindrangen, wahrscheinlich von Nachtvögeln, wartete sie auf ein Zeichen. Sie betete darum, erhört zu werden. Alessandro sollte wieder in die Freiheit zurückkehren. Ja, obwohl sie genau wußte, daß dies unmöglich war, hoffte sie darauf, daß er plötzlich vor ihr stünde. Sie flöge ihm entgegen, und beide ritten sie davon. Das Bild wurde dann unscharf, und Silvia wußte, daß sie süßen Träumen nachhing. Eines Tages würde sie den Weg gehen, den ihr Vater bestimmt hatte, sie heiratete einen Mann, den er ausgesucht hatte, dem er Mitgift zahlte, dieser Mann führte sie ins Brautgemach, und später würde sie Kinder gebären … Silvia seufzte laut auf. Der Mann würde wohl nie Alessandro Farnese heißen. Aber vielleicht erlebte sie dies alles nicht. Vielleicht starb sie vorher an der Pest oder am Wechselfieber, das viele Menschen während der Sommermonate hinwegraffte, so wie es mit ihren beiden jüngeren Brüdern geschehen war. Oder sie heiratete und starb dann im Kindbett, wie so viele Frauen. Gott hatte die Bürden, die Mann und Weib tragen mußten, ungerecht verteilt. Eva gebar nicht nur unter Schmerzen, sie starb auch, während sie Leben schuf, elendig unter Schmerzen. Die Männer dagegen sollten im Schweiße ihres Angesichts arbeiten und ihr Brot brechen. Ja, die Wasserträger und Pferdeknechte, die Maurer und Bauern mußten schwitzen, aber ihr Vater zum Beispiel oder auch der Beichtvater – keiner von ihnen quälte sich mit Dornen und Disteln und aß nur das Kraut des Ackers. Auch Alessandro ging auf die Jagd, statt Feldfrüchte zu ernten. Der Gerechtigkeit halber mußte Silvia aber zugestehen, daß die Männer ihre Ehre und die Ehre der Familie verteidigen mußten und dabei ihr Leben lassen konnten, daß sie in den Krieg zogen und Gefahr liefen, im Kampf zu fallen. Allerdings hatte es lange keinen nennenswerten Krieg gegeben.
Silvia seufzte ein zweites Mal und wälzte sich hin und her. Sie schob die dünne Decke von ihrem nackten Körper und ließ ihre Finger über Brust und Bauch wandern. Noch war sie ein Mädchen, Jahre entfernt vom heiratsfähigen Alter. Aber war sie auch zu jung, um zu lieben? Was war denn Liebe? Eine Krankheit wie die Mondsucht? Eine Verwirrung? Etwas Unfaßbares? Auf jeden Fall etwas, dem man sich nicht entziehen konnte. Und das machte sie gefährlich. Nur die Liebe zu Gott war nicht gefährlich. Silvias Hand blieb auf dem Bauch liegen. Sie wagte nicht, ihre Finger dorthin gleiten zu lassen, wo dieses unbekannte, immer stärker werdende Gefühl beheimatet war, diese verwirrende Sehnsucht, die etwas mit Liebe und Lust, aber auch mit Ehre und Scham zu tun hatte, mit der Hingabe der Frau in der Ehe und dem Kinderkriegen.
Sie bedeckte ihren Körper wieder. Und doch ließ sie erneut eine Hand hinabwandern, um dieses so verlockende Gefühl zu kosten. Sie sehnte sich danach, endlich eine Frau zu werden. Alessandro kam ihr wieder in den Sinn. Sie sah ihren Vater und Rosella vor sich. Nein, so nicht! Nicht wie die Tiere! Du sollst ihn erkennen, ihm ins Gesicht schauen. Aber wie waren die Wegelagerer über ihre Mutter hergefallen! Silvia zog ihre Hand zurück. Ihr Körper verkrampfte sich. Am liebsten hätte sie Giulia und Clarissa geweckt und sie gefragt, ob sie … was sie … Aber dann schlief sie ein.
Am nächsten Morgen machte sie das verschwörerische Gekichere ihrer Freundinnen nicht mit. Während der Frühmesse mußte sie erneut an Alessandro denken. Sie fror. Tagsüber blieben ihre Gedanken selten dort, wo sie hingehörten, und nachts mied sie zunehmend den Schlaf.
Ihre Schlaflosigkeit wurde verstärkt durch seltsame Geräusche, die regelmäßig die Nachtruhe durchbrachen. Sie hörte ein Knarren und Quietschen, ein Huschen und Flüstern. Dann schrie eine Novizin im Schlaf, oder
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