Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Straßenhuren traten schon aus den Hauseingängen und winkten ihm. Er ließ an einem Brunnen sein Pferd trinken, und als ein Trupp Stadtwachen auftauchte, bog er unauffällig in eine Seitengasse ab. Aber die Bewaffneten folgten ihm nicht.
Sein Ziel war der Palazzo von Kardinal della Rovere. Nach Hause, zum Stadtpalast der Farnese, hätte er sich unmöglich wagen können. Dort würden ihn die sbirren zuerst suchen. Aber wer vermutete ihn schon bei einem mächtigen Kardinal – und wenn, dann würde niemand wagen, ihn dort herauszuholen. Bei della Rovere war er vorerst in Sicherheit.
Tatsächlich empfing ihn der Kardinal sofort. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, die Lippen waren zusammengekniffen, aber sein Blick wirkte nicht feindlich. Nachdem Alessandro von seiner Flucht berichtet hatte, stieß er »Du Teufelskerl!« aus. Sein Blick wurde noch milder, regelrecht väterlich. Dann lachte er auf und rieb sich die Hände. »Der Cibò wird schäumen. Und deine Mutter wird auch nicht begeistert sein. Aber der Herr scheint dich zu lieben, sonst hätte er dich nicht so weich fallenlassen. Alessandro Farnese, der Held der Lumpen!« Er lachte noch einmal auf, trommelte dann mit seinen Fingern auf die Lehne des Stuhls, als müsse er beschleunigt nachdenken.
»Nur mein Steiß schmerzt noch ein wenig«, sagte Alessandro.
»Einen Tritt in den Hintern hast du durchaus verdient.« Der Kardinal lachte wieder. » Sit venia verbo .« Dann winkte er Alessandro herbei, stieß ein zweites Mal »Teufelskerl« aus, griff in seine Haare und zog den Kopf an seine Brust, tätschelte dabei seine Wange. Er drückte ihn sogar noch enger an sich. Alessandro hielt zuerst die Luft an, atmete dann tief durch. Der Kardinal mußte ein Bad genommen haben, denn er roch nach frischem Mandelöl. »Gott, warum konnte ich nicht …«, flüsterte er in seinen Bart, dann stieß er Alessandro von sich, sprang auf und stellte sich ans Fenster.
»Was willst du jetzt tun?« fragte der Kardinal nach kurzer Pause, fuhr, ohne eine Antwort abzuwarten, fort: »In Rom kannst du nicht bleiben. Und daß dich deine Mutter längere Zeit in Capodimonte versteckt, kann ich mir nicht vorstellen. Im übrigen wärst du bald freigekommen. Ganz Rom spricht von dir, niemand kann verstehen, warum man dich in die Engelsburg gesteckt hat. Man murrt über die päpstliche Willkür, und cunctator Cibò zuckt zurück. Jetzt wird man noch mehr von dir sprechen.«
»Ich will nach Florenz«, erklärte Alessandro aufgeregt. »Dort kann ich meine Studien vervollständigen. Ihr müßt mir dabei helfen, Eminenz.«
Della Rovere fuhr herum. »Und was ist mit unserer Abmachung? Ich wollte dich wieder in den Dienst der Kurie schleusen, und du solltest den Borgia beobachten. Du bist der Fuchs, der dem Stier unauffällig auf der Fährte bleibt.«
Della Rovere war erneut so nahe an Alessandro herangetreten, daß dieser unwillkürlich einen Schritt zurückwich. Aber der Kardinal hielt ihn fest, und sein starrer Blick bohrte sich in Alessandros Augen. »Der Borgia hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Das macht ihn so gefährlich. Er giert nach dem Stuhle Petri ebenso, wie er nach Weibern giert. Er hurt herum und soll sogar sein Beichtkind in den Sumpf seiner schmutzigen Gelüste gezogen haben. Die Oberin seines Klosters Santa Cecilia! Aber der Herr wird ihn strafen. Irgendwann. Er wird ihn vernichten. Auslöschen. Dann kommt meine Stunde!
Verstehst du?«
Alessandro nickte und versuchte sich zu befreien. Della Rovere stieß ihn weg und wanderte so unruhig im Raum auf und ab, daß die Kerzen flackerten.
»Weißt du eigentlich, daß deine Mutter nicht davon abzubringen war, deine Schwester Giulia in Borgias Kloster zu stecken?«
Alessandro schüttelte entsetzt den Kopf. »Warum denn das?«
»Warum steckt man junge Mädchen ins Kloster?
Damit sie aufs Leben vorbereitet werden. Damit sie dort alles Nötige lernen.« Der Kardinal lachte mit grimmigem Hohn. »Ich riet deiner Mutter davon ab, aber sie wußte es besser. Deine Schwester wurde ihr wohl zu selbständig. Und da hat sie sich von Borgias gewinnendem Wesen überzeugen lassen. Ha! Sie wird es noch bereuen!«
Della Rovere eilte zur Tür und rief nach einem Glas Wein. Dann stellte er sich vor Alessandro, tippte ihm mit dem Finger auf die Brust und lachte erneut höhnisch. »Als deine Mutter nicht umzustimmen war, habe ich meine Tochter Clarissa gleich mitgeschickt. Man muß taktisch denken, verstehst du. Clarissa soll ihre Augen
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