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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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ketzerischen Gedanken stammten von Alessandros Lehrer. Leto hatte über die Sakramente gelacht, am meisten über das Heilige Abendmahl. Dies ist sein Leib . Und der Wein ist sein Blut. Leto und die anderen bärtigen Lehrer schlugen sich auf die Schenkel, prosteten sich zu, tranken ihren Wein, und je mehr sie tranken, desto mehr mußten sie sich die Bäuche halten vor Lachen. Alessandro seufzte. Nein, seine Laufbahn als werdender Priester und zukünftiger Kardinal, der Traum seiner Mutter, war vorbei. Der Zweitgeborene wurde diesmal kein Mann der Kirche, sondern – ja, was? Vielleicht ein Philosoph? Oder ein Humanist, der alte Bücher sammelte? Seine Mutter züchtete Schafe, er hockte über griechischen Manuskripten. Noch hatte er allerdings keine Ahnung vom Griechischen. Außerdem: Wollte er sein Leben lang Papierstaub einatmen, dann hätte er gleich Skriptor bleiben können. Aber all die Ämter und Tätigkeiten im Vatikan, Notar, Thesaurar, Datarius oder Abbreviator, langweilten ihn. Wenn schon ein kuriales Amt, dann kam nur ein Kardinalat in Frage oder zumindest eine Gesandtschaft. In Venedig zum Beispiel. Oder am französischen Hof. Als Gesandter kam man in der Welt herum, und als Kardinal besaß man Macht und erhielt einträgliche Pfründe.
    Aber warum sollte er nicht gleich Papst werden? Oberhaupt der katholischen Kirche? Man mußte zur rechten Zeit am rechten Ort sein, Freunde im Kardinalskollegium haben und, wenn möglich, einen Papst in der Familie. Mehr war nicht erforderlich. Das sah er an den jetzigen papabiles Borgia und della Rovere. Papst Innozenz VIII. Cibò dagegen war nur gewählt worden, weil man ihn für schwach und ungefährlich hielt. Wie so viele Schwächlinge zeichnete er sich durch Falschheit und Ränkeschmiederei aus, und außerdem verfolgte ihn die Angst vor Hexen und ihren Taten. Daher seine Bulle Summis desiderantes , die Alessandro noch Jahre nach ihrem Erlaß mehrfach hatte kopieren müssen. Innozenz Bischof , ein Knecht der Knechte Gottes . So begann sie. Da konnte man nur lachen. Der Papst war kein Knecht, sondern ein Herrscher: über die Ewige Stadt, über das Italien südlich der Toskana und nördlich von Neapel und gleichzeitig über viele, viele Seelen. Vor ihm knieten Könige, und sogar der Kaiser wurde von ihm gekrönt.
    Alessandro setzte sich auf, fachte dann das Feuer wieder an, warf ein paar Scheite in die Glut und ließ sich ein Glas Rotwein bringen. Das Feuer loderte auf, und sein Blick folgte den Flammen. Er hatte sich auf wolkigen Träumen hinweg treiben und in den Himmel der Hoffnungen tragen lassen. Dabei mußte er Rom verlassen und ins Exil gehen. Durfte er je wieder zurückkehren? Vielleicht blieb ihm sogar sein heimatliches Schloß in Zukunft versperrt, und er mußte wie ein ärmlicher Scholar durch die europäischen Länder ziehen. Oder der Papst exkommunizierte ihn! Was tat seine Mutter, die wahrscheinlich alles angezettelt hatte, dann?
    Die Hitze der Flammen ließ Alessandros Haut erglühen, aber er wich nicht zurück. Das Wort Exil setzte sich in seinem Kopf fest. Er war ein Verbannter! Schon jetzt saß er hier in der Burg seiner eigenen Familie allein vor dem Kamin. Wo war Giulia? Was tat sie? Und Angelo? Der einzige Bruder, der ihm geblieben war. All die anderen Geschwister waren schon in jungen Jahren gestorben. Auch der Vater tot. Ein loderndes Feuer, aber kalte Wände. Nur Rubino, der humpelnde Jagdhund, der neben ihm schlief, vermittelte ihm etwas von der Wärme der Kindheit. Alessandro trank noch einen Schluck Wein und schüttete den Rest aus dem Glas in das aufzischende Feuer. Silvia stand wieder neben ihm, wie noch kürzlich in Frascati. Oder vor den erschlagenen Wegelagerern. Ein kleines zitterndes Mädchen. Er mußte sie beschützen, ebenso, wie er seine Schwester Giulia beschützen mußte. Aber gleichzeitig sah er in Silvia eine engelhafte Erlöserin. Die beiden Seiten einer Medaille – oder, wie Plato es sah, die beiden Teile eines einzigen Wesens, das auseinandergerissen worden war und das nun danach strebte, sich wieder zu vereinigen. Falls sie sich allerdings gefunden hatten, dann waren sie von neuem auseinandergerissen worden.
    Alessandro warf den Weinkrug ins Feuer, das noch einmal laut aufzischte. Heller Rauch schoß in den Kamin. Der Jagdhund wachte auf und schaute ihn fragend an. Alessandro strich dem treuen Tier übers Fell.
13. K APITEL
    Die Tage zu Hause waren, wie Silvia enttäuscht feststellte, nicht leichter zu ertragen als die Tage in

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