Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
geschlechtlicher Vereinigung, und alle Götter umringten sie und stimmten ihr Gelächter an. Es schüttelte Alessandro bei dem Gedanken, er könnte in einer solchen Situation erwischt werden. Mit Silvia zum Beispiel. Aber Silvia dachte noch nicht daran, sich einem Mann hinzugeben.
Oder mit Rosella.
Alessandro streichelte den Hund, der seine Hand leckte und wohlig knurrte. Während der letzten Monate hatte Alessandro, ohne sich zu besinnen und nachdenken zu können, eine Veränderung ohnegleichen erlebt. Vielleicht hatte die erste Begegnung mit Rosella alles ausgelöst. Sie hatte ihn zum Mann gemacht. Im Gegensatz zu seinen gleichaltrigen Freunden, die mit ihm ritten und fochten, in der Accademia lernten oder im Skriptorium litten, war er nicht regelmäßig zu Kurtisanen gegangen. So geschickt sie ihn umschmeichelten, so gut sie dufteten, so verlockend sie ihn um den Bart gingen, sie hatten ihm immer Angst eingeflößt. Er war lieber auf die Jagd gegangen. Bis dann sein Pferd in der Nähe des ehemaligen Pantheon Rosella umstieß. Vielleicht war sie ihm sogar absichtlich in den Weg gelaufen. Zuerst tat sie verletzt und ließ sich von ihm stützen, klammerte sich an ihn, humpelte, wollte sogar getragen werden. Immer wieder strich ihr heißer Atem an seinem Ohr entlang, und sie flüsterte: »Danke, mein Herr, Ihr seid so gut, mein Herr!« Dann ließ sie sich zu einer Kate bringen, die in der Nähe des Ruffini-Hauses stand. Er mußte sie hineinschleppen. Sie streifte ihre Sandalen von den Füßen, ließ ihn ihre Knöchel untersuchen, schob dabei das Kleid übers Knie. Erst als sie die Tür verriegelte, begriff er, was geschehen sollte. Ihr Kleid rutschte noch höher – und dann war kein Halten mehr. Es dauerte Stunden, bis er, erschöpft und ausgelaugt, von ihr abließ.
Von nun an zog er jede Nacht mit den Skriptoren los, von einer Kurtisane zur anderen. Mit jedem Mal wurde er anspruchsvoller, die Frauen wurden schöner, klüger und teurer. Er bettelte seine Mutter um Geld an und machte Schulden, die er nie zurückzahlte. Rosella vergaß er zwar nicht, schließlich war sie die erste Frau, die in ihm den Rausch der Liebe erweckt hatte, aber er suchte sie nicht mehr auf. Irgend etwas hielt ihn davon ab. Das vage Gefühl vielleicht, sie könne ihm gefährlich werden. Und außerdem war er auf der Suche nach neuen Formen der Liebe. Jede Frau liebte anders, und gerade die Unterschiede reizten ihn.
Als er Silvia dann, nicht lange danach, vor den Wegelageren rettete und ein zweites Mal auf Rosella stieß, drängte sich ihm der Gedanke an eine göttliche Fügung auf. Dies wiederholte Treffen konnte kein Zufall sein! Oder war es eine menschliche Fügung? Nein, Rosella konnte nicht wissen, an welchem Tag er an welchem Ort zur Jagd ging, und selbst wenn sie es hätte in Erfahrung bringen können, so wäre sie kaum in der Lage gewesen, den Zeitraum der Abreise von Signora Ruffini zu bestimmen. Nein, der Allmächtige und Allwissende mußte eingegriffen haben. Aber warum hatte ER ihn dann in Rom nicht auf Silvia stoßen lassen, sondern auf ihre Kammerfrau, die in Wirklichkeit eine Hure war?
Rosella hatte in ihm auf jeden Fall etwas ausgelöst, was ihn in eine heftige Unruhe versetzte. Wie von Dämonen getrieben, zog er abends los, und erst in den frühen Morgenstunden fand er nach Hause. Nach einem kurzen und flüchtigen Schlaf ging er häufig auf die Jagd, weil er nur so die Unruhe in seinen Gliedern loswerden konnte. Saß er schließlich doch einmal im Skriptorium und schrieb gähnend ein besonders gottesfürchtig klingendes breve ab, dachte er daran, daß in der Hauptstadt des Glaubens, im Zentrum des priesterlichen Zölibats, im caput mundi nicht das Kreuz die Menschen beherrschte, sondern der Schwanz. Cauda mundi – so nannten die Spötter die Ewige Stadt, und sie hatten recht. Rom war ein großer, von Mönchskutten und Prälatengewändern, von Kardinalspurpur und Bischofsweiß umhüllter Schwanz. Und um den Schwanz tanzten die Dukaten. Wer Dukaten klingeln ließ, konnte sich schöne Kurtisanen kaufen, konnte in Palästen wohnen, wurde Bischof und Kardinal. Und wer Bischof und Kardinal wurde, konnte sich Paläste und Kurtisanen kaufen und erhielt noch mehr Dukaten. Aber kein Jesus von Nazareth kam und trieb mit der Peitsche die Geldwechsler und falschen Priester aus der Stadt Gottes. Warum sollte er auch? Er war ja am Kreuz gestorben. Oder hatte nur als armseliger Wanderprediger gelebt, wie viele andere auch. Solche
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