Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
sie dann an sich.
»Und du? Hast du dich mit Mutter gestritten?«
Er zog verächtlich die Augenbraue hoch. »Sie ist längst im Bett. Ich habe vor dem Kamin ein wenig alten Zeiten nachgeträumt.«
»Sie ist zur Zeit wirklich unerträglich. Seitdem ich aus dem Kloster zurück bin, höre ich von ihr nur Vorwürfe. Sogar an Angelo nörgelt sie herum.« Giulia preßte sich noch fester an ihn. »Wenn ich dich nicht hätte, Alessandro! Ich habe dich so vermißt, als du im Kerker warst, und jetzt mußt du auch noch nach Florenz fliehen.«
Sie umarmten sich, und er erzählte ihr von seiner Flucht aus der Engelsburg. Weil sie so warm in seinen Armen lag, wurde ihm erneut bewußt, wie sehr sie tatsächlich zusammengehörten, wie eng sie seit ihrer Kindheit miteinander verbunden waren. Dieselbe Amme hatte sie gestillt und dann großgezogen, und als sie an der Pest starb, hatten sie beide lange geweint. Wenn Alessandro etwas ausgefressen hatte, nahm ihn Giulia in Schutz, und schenkte ihr der Vater Konfekt, dann gab sie ihm etwas ab, obwohl er sich nicht viel aus Süßigkeiten machte. Und immer wenn ihre Mutter sich an einem anderen Ort aufhielt, dann schliefen sie in einem Bett und jagten gemeinsam die Flöhe, die von einem zum anderen sprangen. Inzwischen war Giulia so herangewachsen, daß sie nicht mehr in einem Bett schlafen durften. Als er Skriptor wurde, hatte er gedacht, daß er als unverheirateter Mann Gottes ihr immer die Treue halten würde, und wenn er jetzt die Anmut ihrer Bewegungen, den Liebreiz ihrer Gesichtszüge, die langfließende Fülle ihrer Haare betrachtete, dann wußte er, daß eine Frau, die er einmal lieben würde, nicht viel anders aussehen durfte als seine kleine Schwester.
»Ich hasse unsere Mutter …«, stieß sie hervor. Und dann erzählte sie Alessandro von ihrer Zeit im Kloster, von den stumpfsinnigen Tagen, die schließlich in Unzucht und Unordnung ihr Ende gefunden hätten. »Und all das habe ich unserer Mutter zu verdanken. Ich hasse sie!«
»Ich hasse sie nicht«, antwortete Alessandro. »Eines Tages wird sie stolz auf uns sein.«
»Das wird sie nie!«
Alessandro löste sich von Giulia, ging gedankenverloren zu ihrem Pult und blätterte in der aufgeschlagenen Bibel. An der Stelle der Korinther-Briefe stieß er auf ein in Perlmutt gefaßtes Medaillon mit einem Männerporträt, das offensichtlich als Lesezeichen diente.
Als Giulia sah, was er gefunden hatte, wurde sie tiefrot und zog schnell ein Seidentuch um Kopf und Gesicht. »Wenn Mutter nicht an mir herumnörgelt, spricht sie davon, daß ich möglichst bald Orso Orsini heiraten soll. Dabei bin ich doch erst fünfzehn.« Alessandro studierte das Porträt genauer. »Das ist Orso, nicht wahr?«
Sie nickte.
»Ich glaube, ich kenne ihn.«
»Und?« Giulias Stimme zitterte vor Neugierde. »Hast du ihn noch nie getroffen?«
»Ich soll ihm demnächst vorgestellt werden. Ach, es ist alles so aufregend!«
»Soviel ich weiß, ist er ein harmloser Bursche. Du könntest es schlimmer treffen. Aber schön ist er nicht.« Er versuchte, sich genauer zu erinnern. »Nein, wahrhaftig nicht.«
Ihre Augen hefteten sich an ihn. Sie hatte sie schwarz umrandet, und daher wirkten sie noch größer als gewöhnlich.
»Weißt du, wie es ist …« Sie mußte schlucken und unterbrach sich selbst.
»Was meinst du?«
»Na, du weißt schon.« Sie wandte sich ab und drehte sich um die eigene Achse, als wolle sie tanzen. Sie hüpfte zum Fenster und hüpfte wieder zurück. »Kannst du deinen Handstand noch?« Alessandro nickte.
»Mach ihn mir vor!«
Er schwang seine Beine hoch und balancierte, auf den Händen stehend, seinen Körper aus.
Giulia trat einen Schritt zurück und applaudierte. Dann kniete sie sich nieder, beugte sich zu seinem Gesicht herunter und gab ihm einen Kuß auf das Kinn, dann auf die Nase und schließlich auf die Lippen.
»Zufrieden?« preßte er hervor.
»Du mußt so bleiben und mir sagen, wie es ist, wenn man zum ersten Mal … Tut es weh? Die Mägde lachen immer so unanständig und ziehen mich auf.«
»Mir hat es nicht weh getan«, sagte er.
Giulia stieß ihn mit einer mutwilligen Bewegung an, so daß er beinahe auf den Rücken gefallen wäre. Er bekam wieder sicheren Halt und setzte sich dann neben sie auf den Boden.
»Eigentlich freue ich mich auf die Ehe.« Sie seufzte und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Dann werde ich mich um ein Haus und eine große famiglia kümmern können. Und unsere Mutter hat mir nichts mehr zu
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