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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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in die Nacht hinaus. »Ich kann nicht«, wiederholte er nach einer Weile.
    Alessandro verlor plötzlich die Fassung. Er hätte schreien und toben können. Er hätte seinen Bruder packen und auf die Knie zwingen mögen. Dieser Feigling war der Liebling seiner Mutter. Die Lenden dieses Schwächlings sollten das Geschlecht der Farnese fortpflanzen, und er, Alessandro, der zufällig als zweiter geboren worden war, sollte unfruchtbar wie ein Eunuch bleiben. Und nicht nur das. Er mußte seine Heimat verlassen. Und damit auch Silvia. Und Giulia. Mit Begeisterung und unter Einsatz seines Lebens würde er gegen die Türken kämpfen und auf diese Weise etwas für den katholischen Glauben tun. Und dann im Triumph zurückkehren und als Held gefeiert werden. Gebete herunterleiern, Messen lesen und Sünden vergeben war das Langweiligste, was er sich vorstellen konnte. Er hatte schon immer während der Messen gähnen müssen. Oder er hatte zu den Mädchen hinübergespäht. Es ging ihm dabei so wie den meisten Priestern und Prälaten. Während sie ihre frommen Sprüche von sich gaben, dachten sie an etwas ganz anderes. Und sie dachten nicht nur etwas anderes, sie verstießen auch tagtäglich gegen Gottes Gebote. Ein Sündenpfuhl war aus der heiligen römischen Kirche geworden, die Prediger, die über die Straßen des Landes zogen und gelegentlich auch auf Roms Plätzen zum Volke sprachen, führten zu Recht Klage. Alessandro hatte doch tagtäglich im Vatikan erleben müssen, was den Männern in ihren schwarzen oder purpurroten Gewändern, in ihren weißen oder braunen Kutten durch den Kopf ging. Sie dachten an Geld und Pfründe, an Weiber und Wein.
    Alessandros Wut hatte noch nicht nachgelassen. Sein Bruder stand wie ein elender Büßer in der Fensternische. Er rührte sich nicht, er verteidigte sich nicht, er riß sich nicht zusammen. Alessandro ergriff seine Schultern und drehte ihn herum. Er zwang ihn, ihm, dem Jüngeren, dem benachteiligten Bruder, in die Augen zu sehen.
    Angelo schaute ihn an. Sein Blick gottergeben, ohne Stolz, ohne Kraft. Alessandro ertrug es einfach nicht, er schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht, einmal, zweimal, dreimal.
    »Alessandro!« schrie Giulia und fiel ihm in die Arme. »Tu das nicht!«
    Nach dem dritten Schlag wandte sich Alessandro ab. Aber plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter, und als er sich umdrehte, um seinem Bruder die ganze Verachtung, die er für ihn empfand, zu zeigen, blickte er in Augen voller Angst und spürte gleichzeitig einen heftigen Faustschlag im Gesicht. Er stürzte zu Boden. Giulia schrie ein zweites Mal auf.
    Alessandro wollte nicht glauben, was geschehen war. Vorsichtig befühlte er die höllisch schmerzende Nase. Blut rann ihm über die Lippen. Langsam erhob er sich, den Kopf noch gesenkt, den Arm unter die blutende Nase haltend. Angelo stand wie ein dunkler Schatten vor dem Fenster. Und Alessandro sprang ihn an wie ein Raubtier. Er stieß den Kopf seines Bruders an die Wand und warf ihn nieder. Angelo wehrte sich. Er boxte und trat nach ihm. Auch er blutete nun, und beide wälzten sich ringend auf dem Boden, die Gesichter verschmiert. Alessandro holte mit seiner Faust aus, um den Widerstand seines Bruders endgültig zu brechen, aber bevor er sein Gesicht traf, riß ihn Giulia nach hinten und warf sich zwischen sie. Wie auf Befehl ließen die Brüder schweratmend voneinander ab. Angelo kniete, ohne seine Augen vom Boden zu heben. Alessandro befühlte seine Nase, stand auf und zog seinen Bruder auf die Beine.
    Der Blick, der ihn traf, zeugte nun nicht mehr von Angst, sondern von hilfloser, aber stolzer Verachtung. »Ich bin der erstgeborene Sohn, und du bist der zweitgeborene!« sagte Angelo mit bebender Stimme. »Ich werde gegen die Türken kämpfen, heiraten und Kinder in die Welt setzen – und du, du wirst als Kirchendiener immer einsam bleiben.«
15. K APITEL
    Die Wintertage waren ruhig. Über Rom spannte sich ein blauer, kalter Himmel, aber das Feuer in den Kaminen flackerte über einer kräftigen Glut und wärmte die Räume. Silvia schlief viel, träumte vor sich hin, ging regelmäßig zur Messe. Sie sang zur Laute und begann eigene Verse zu dichten. Petrarca sehnte sich nach seiner Laura, und sie sehnte sich nach ihrem Alessandro.
    »Ein neues Lied der Liebe möchte ich singen, Bestürmen, Liebster, dich mit wilder Kraft, Des kalten Herzens Zögern zauberhaft Zu neuer Wünsche Sternenflug beschwingen.«
    Während Silvia in das Feuer starrte, stand

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