Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
lachte laut und höhnisch auf und sang:
»Und weinend, leidend fühl ich innerlich: Mein kurzes Leben hab ich wohl vertan. Ja, düster seh ich meine letzte Stunde nahn!« Dann sprang sie auf, stieß einen gotteslästerlichen Fluch aus, warf ihr die Laute in den Schoß und rannte aus dem Raum. Silvia versuchte, Rosella zu folgen, fand sie aber nicht, und niemand von den Bediensteten konnte sagen, wohin sie verschwunden war.
Auch den Vater fand Silvia nicht in seinem Studiolo.
So schlich sie in ihr Zimmer, zündete einige Öllichter an, spielte eine Weile mit ihrem Zeisig und schrieb anschließend noch einmal ihr Sonett sorgfältig auf schönes Papier, das ihr der Vater geschenkt hatte. Es beruhigte sie, mit der Feder die Bogen und Brücken, die Rundungen und Pfeile übers Papier zu ziehen. Und als das Gedicht wie ein kleines Kunstwerk vor ihr stand, schrieb sie als Titel Rote Rosen auf dem Schnee darüber und dann, etwas kleiner: Für Alessandro . Und unter das Gedicht malte sie, wie sie es von Gemälden her kannte, Silvia Ruffini fecit MCCCCLXXXVI .
Anschließend schlich sie zu dem kleinen Sandro, sang ihm ein Liedchen vor und nahm ihn aus der Wiege. Er blickte sie mit großen, unsicheren Augen an, dann lächelte er. Die Amme schaute ihr mißtrauisch zu und sagte: »Er wird bald Hunger kriegen.«
Silvia pustete über seine Löckchen und wiegte ihn in ihren Armen. Es war ein aufregendes Gefühl, das Kind zu halten. Als die Amme den Raum verließ, um eine saubere Windel zu holen, legte sie den kleinen Sandro an ihre Brust. Es kitzelte, als er nach ihrer Brustwarze suchte, und dann nuckelte er, natürlich ohne Erfolg. Er schrie vor Enttäuschung, sie küßte ihn, um ihn zu beruhigen, sang wieder ihr Liedchen und steckte schnell ihre kleine Brust in den Ausschnitt des Hauskleids. Sanft schaukelte sie ihn, bis sie ihn der Amme zurückreichen mußte.
Die Amme holte ihre überquellende Brust heraus. »Da wird meine Kleine auch noch satt«, sagte sie stolz, als sie Silvias Blick wahrnahm.
»Bestimmt«, sagte Silvia.
Während der folgenden Nacht konnte sie kaum schlafen. Mehrfach schlich sie durch das Haus, lauschte an der Schlafzimmertür des Vaters, hörte jedoch weder Liebesgeräusche noch Schnarchen. Sie öffnete vorsichtig die Tür. Das Bett war leer. Auch Rosella fand sie nicht in ihrem Zimmer.
Am nächsten Tag schlüpfte Rosella zur Messezeit ins Haus. Silvia paßte sie auf der Treppe ab. Rosellas Haare fielen ihr ungekämmt ins Gesicht, ihr Kleid war verdreckt, und sie roch nach schmutzigen Gassen, nach den Löchern, aus denen Menschen quollen, um ihren Vater anzubetteln.
Als Silvia ihr in den Weg trat, um sie aufzuhalten, stieß Rosella sie so heftig beiseite, daß sie fast die Treppe hinuntergefallen wäre.
»Aber, Rosella, was ist mit dir?« rief sie.
Der Gestank, den sie ausströmte, verlor sich auch dann nicht, als sie das erste Stockwerk erreicht hatte.
Enttäuscht rief Silvia ihr nach: »Ich dachte, wir sind Freundinnen.«
Ein höhnisches Auflachen war die Antwort. Silvia stand eine Weile auf der Treppe, noch immer umgeben von diesem zäh sich haltenden Geruch nach Unrat und Feuchtigkeit, und verstand nicht, was geschehen sein konnte. Es war, als würde der Boden unter ihren Füßen weggezogen.
Der Vater tauchte erst kurz vor Sonnenuntergang auf. Silvia sah ihn in Begleitung zweier Männer die Straße entlangkommen. Sie sprachen heftig auf ihn ein, und er antwortete ihnen ebenso heftig, wild mit seinen Armen gestikulierend. Kurz vor dem Haus packte ihn einer der Männer unter dem Kragen seines Mantels, der andere riß ihm seine pelzverbrämte Mütze vom Kopf. Silvia wollte um Hilfe schreien und die Knechte auf die Straße schicken, um die Männer niederknüppeln zu lassen. Aber da zog der Vater schon seinen Degen. Die beiden wichen zurück, drohten ihm noch einmal mit der Faust und waren plötzlich in einer Seitengasse verschwunden. Die Haare ihres Vaters standen nach allen Seiten in die Luft. Sein roter Schopf leuchtete im Schein der tiefliegenden Sonne wie ein aufflammendes Feuer. Silvia rannte auf die Straße, auf der ihr Vater noch immer wie versteinert stand. Er sah sie gar nicht, schaute nur den verschwundenen Männern nach, fuhr sich dann mit einer unwillkürlichen Bewegung über den Kopf und steckte den Degen wieder ein.
Als er sie entdeckte, nahm er sie in den Arm und küßte sie. »Wenn ich dich nicht hätte …«, flüsterte er.
Am nächsten Morgen legte der Vater seinen Mantel um
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