Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Eltern das Beste für ihre Kinder. Mein Orso ist ein prächtiger Junge. Sein Auge – leider … Aber sonst: ein guter Charakter, gesund, kräftig wie ein Bär – und der Erbe von Bassano und vielleicht sogar von Bracciano!« Madonna del Mila war nun wieder lauter geworden und sprach halb in Richtung von Giulia. »Also, an wen denkt Ihr für die kleine Ruffini?«
Madonna Caetani flüsterte ihr etwas ins Ohr.
Madonna del Milas Stirn kräuselte sich kurz, dann hielt sie ihr Ohr näher an Madonna Caetanis Mund. Schließlich schüttelte sie abwägend den Kopf, und die beiden Frauen verließen, ohne sich noch einmal zu den Mädchen umzudrehen, den Raum.
Silvia brauchte eine Weile, bis sich die Anspannung legte. Sie hörte Giulia etwas sagen, verstand aber ihre Worte nicht. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken, und am liebsten wäre sie jetzt allein in ihrem Zimmer in Rom gewesen. Sie fühlte sich mißbraucht von diesen beiden alten Vetteln, behandelt wie eine Kleiderpuppe – nein, wie eine Zuchtstute! Dabei gehörten diese Frauen überhaupt nicht zu ihrer Familie. Oder sollte etwa Madonna Caetani tatsächlich planen, ihren Alessandro mit ihr zu verheiraten? Hatte sie etwa aufgegeben, ihn in die kuriale Laufbahn zu peitschen, und suchte nun nach einer jungen Frau, die ihm und damit der Familie Farnese viele Kinder schenken könnte? Aber der Erstgeborene war doch sein Bruder Angelo. Sollte Madonna Caetani etwa planen, sie mit Angelo Farnese zu verheiraten? O Gott – vielleicht war Angelo ein stattlicher, kluger und liebevoller Mann … Aber sie liebte Alessandro, ihn und nur ihn!
Aber mußte sie nicht auch vernünftig sein? Sie wußte genau, daß nicht sie sich ihren zukünftigen Ehemann aussuchte, sondern ihr Vater. Allerdings war sie nicht bereit, irgendeinen Mann zu heiraten!
Ohne Liebe ging sie keine Ehe ein. Dann würde sie sich eher in ein Kloster flüchten. Dort könnte sie wenigstens dichten.
Aber ertrug sie wirklich, ein Leben lang in ein Kloster eingesperrt zu sein, den täglichen Gebetsmühlen ausgesetzt, ohne Aussicht auf die Freuden der Ehe und Mutterschaft?
Silvia fuhr mit beiden Händen über ihre Brust und ließ sie auf ihrem Bauch liegen. Sie mußte an den kleinen Sandro denken, an die Freude, die sie jedesmal empfand, wenn sie mit ihm tollte oder wenn er wieder etwas Neues gelernt hatte. Er sprach nun schon ganz ordentlich, lief neugierig im Haus umher und hielt die Amme auf Trab. Ja, die Amme sorgte noch immer für ihn, der Vater hatte sich um kein Kindermädchen gekümmert. Überhaupt kümmerte sich der Vater wenig um das Kind. »Er hat nicht die roten Haare der Ruffini-Männer«, erklärte er und fuhr dann mit erregter Stimme fort. »Die Hure hat mich betrogen. Ausgepeitscht gehört sie – dabei liegt ihr halb Rom zu Füßen.« Er kratzte sich am Hals und schüttelte dann den Kopf. »Wenn ich mal Geld benötigte, könnte sie mir einen ordentlichen Betrag zu einem ehrbaren Zinssatz leihen, sagte sie mir vor kurzem. Unsere ehemalige Kammerfrau, eine Hure, will mir Geld leihen! Diese Welt ist nicht mehr in Ordnung.«
Silvia wußte darauf nichts zu antworten, und der Vater verzog sich, plötzlich in sich gekehrt, in sein Studiolo.
In den nächsten Tagen brachte Silvia dem kleinen Sandro bei, Papa zu ihrem Vater zu sagen. Zuerst schaute der Vater unwillig auf. Sandro nahm ihn jedoch bei der Hand, sagte »Papa, ich muß dir was zeigen«, und der Widerstand des Vaters löste sich auf. Er folgte dem Kleinen. Er lächelte und nahm ihn sogar auf den Arm.
Silvia erschrak, als sie ein Schluchzen hörte. Sie war so in Gedanken gewesen, daß sie Giulia regelrecht vergessen hatte. Sie sah noch immer ihren Vater und den kleinen Sandro vor sich. Und die Unruhe hatte sich auch wieder gelegt. Die Frauen und ihr Vater mochten aushecken, was sie wollten, sie würde sich nicht zu etwas zwingen lassen, das ihr zuwider war. Nein, sie nicht!
Sie wandte sich Giulia zu, die aus dem Fenster starrte und Tränen vergoß. Silvia kniete sich neben sie und nahm ihre Hand. »Warum bist du so traurig, Giulia?«
Die Schminke um Giulias Augen war zerlaufen, ihre Augen gerötet. »Ich habe Angst, verstehst du, ich habe Angst«, flüsterte sie.
»Hast du vor der Ehe Angst?«
»Ach, wenn es nur die Ehe wäre!«
24. K APITEL
Drei Jahre hielt sich Alessandro nun schon in Florenz auf, drei Jahre, die wie im Rausch vergangen waren. Die Sorglosigkeit des ersten Jahrs hatte durch Picos Entführungsversuch einen Dämpfer erhalten.
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