Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
Vom Netzwerk:
weißt du wirklich, was Glück ist?« fragte Alessandro.
    Ugo hielt seine Augen geschlossen und erwiderte mit leiser Stimme: »Epikur spricht von ataraxia , von Seelenruhe. Halte dich aus den Stürmen des Lebens heraus, und du wirst keinen Schiffbruch erleiden. Vermeide den Aufruhr der Leidenschaften. Schau einfach nur in Gelassenheit zu und lächle!«
    Nun öffnete er wieder seine Augen, blickte Alessandro kurz an und ließ seinen Blick auf Florenz ruhen, ohne zu lächeln.
    »Wenn du schon von Unsterblichkeit sprichst …«, erklärte Alessandro, »wer wird von uns unsterblich sein? Lorenzo vielleicht?«
    Ugo schwieg abwesend, und Alessandro fuhr fort: »Hat er nicht unvergeßliche Verse gedichtet? Und konnte er nicht im Kreis seiner Freunde und Familie den Sonnenuntergang genießen, still und kontemplativ in seiner Villa fern der Stadt? Hat er nicht oft genug, wie dein Epikur, mit uns zusammengesessen und über Schönheit und Liebe, aber auch über Ruhm und Frieden philosophiert? Und am nächsten Tag wieder die Geschicke der Stadt geleitet? Denk daran, mit welchem Mut er allein nach Neapel gezogen ist, um König Ferrante den Frieden abzuhandeln! Lorenzo wird unsterblich sein, denn er hat zum Glück der Menschen beigetragen. Frieden und eine gute Regierung sind die Voraussetzung. Aber Lorenzo führte kein zurückgezogenes Leben. Er ist ein leidenschaftlicher Mensch und hat gelernt zu leiden. Trotzdem hörst du ihn nie klagen. Wenn seine letzte Stunde ihm schlägt, wird er sein Leben nicht vertan haben.«
    Wortlos stand Ugo auf, streckte seine Glieder und tätschelte den Hals seines Pferdes, das friedlich Gras gerupft hatte. Wiehernd schüttelte es die Mähne.
    Florenz lag im goldenen Licht der im Dunst versinkenden Sonne. Wie so häufig während der letzten Woche durchfuhr Alessandro das Gefühl, daß er sein sorgloses Leben gar nicht verdiene. Gott hatte ihm zweimal vor Tod und Verfolgung bewahrt, und was tat er? Er lebte in den Tag hinein. Er genoß diesen Blick über die Stadt, die ihn als Gast aufgenommen hatte, und philosophierte mit einem jungen Provençalen über Glück. Und natürlich kam ihm wieder Silvia in den Sinn. Allen Ehrgeiz hinter sich lassen, der Kirche endgültig Lebewohl sagen und das Mädchen heiraten, das er gerettet hatte, das eine reine Schönheit ausstrahlte, das ihn liebte. Ja, war ihre Einheit nicht vorherbestimmt? Waren sie nicht zwei Hälften eines Wesens, das ein Gott einmal geteilt hatte …
    »Warum schweigst du plötzlich?« hörte er Ugo fragen.
    Alessandro schüttelte den Kopf. »Ich mußte gerade an Silvia denken – ach Gott, damit begann alles.«
    Ugo war herangesprungen und hockte sich direkt neben ihn. »Begann damals das Glück oder das Unglück?« fragte er inquisitorisch.
    Alessandro zuckte mit den Achseln. »Es begann mit einem Unglück«, antwortete er schließlich. »Aber vielleicht führt es ja zum Glück.«
    »Nein, nein«, widersprach ihm Ugo. »Unglück zeugt immer nur Unglück!« Er stand wieder auf, setzte sich erneut, kratzte sich am Kopf. Dann brach es aus ihm heraus:
    »Frauen bedeuten Unglück. Insbesondere schöne Frauen. Frauen, welche die Seele entzünden, wie unser Freund Ficino sagt. Frauen, die in dich eindringen und nicht mehr loslassen. Zum Beispiel deine Schwester, Alessandro, deine schöne Schwester Giulia …«
    »Wie kannst du so etwas sagen!«
    Ugo seufzte tief, preßte seine Hände vor sein Gesicht. »Ich habe es dir noch nie erzählt«, antwortete er nach einer Weile, während er sich wieder auf den Boden legte und in den Himmel starrte, »ich habe deine Nähe gemieden, weil du mich immer an Giulia erinnerst. Ich habe ihr hundert Briefe geschrieben und nie einen abgeschickt, ich wollte längst wieder nach Bologna ziehen oder nach Paris oder noch weiter, nach London vielleicht, weil ich deine Schwester, die ich nur einmal gesehen habe – weil ich sie nicht vergessen kann.«
    Alessandro schaute Ugo erstaunt an, aber dieser erwiderte seinen Blick nicht.
    »Ich bin ein unbedeutender Provençale, ein armer Mann zudem, der nur durch die Großzügigkeit des Magnifico lebt – verstehst du mich?«
    Ugo starrte noch immer in den Himmel, seine Stimme verriet die innere Erregung. Alessandro wußte nicht, was er antworten sollte.
    »Verachtest du mich?« fragte Ugo.
    »Warum soll ich dich verachten?«
    Alessandro fühlte plötzlich eine tiefe Kluft zwischen den Menschen. Selbst zwischen denen, die sich Freunde nannten, ja vielleicht sogar, die sich liebten.

Weitere Kostenlose Bücher