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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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ertrage.«
    Alessandro nickte und schaute Lorenzo mitfühlend an.
    »Beim Hochamt, in Santa Maria del Fiore, haben sie ihren Anschlag ausgeführt, diese verblendeten Männer, und wie viele von ihnen mußten bei unserem anschließenden Rachefeldzug sterben! Weißt du, Alessandro, ich hasse Blutvergießen aus tiefstem Herzen. Aber es gibt Augenblicke, in denen es nicht zu umgehen ist. Damals rasten meine Anhänger vor Rache, sie waren nicht mehr aufzuhalten, auch von mir nicht.« Lorenzo ließ seine Augen auf ihm ruhen. »Ein Jahrzehnt Frieden liegt hinter uns, ein goldenes Jahrzehnt. Manchmal denke ich, daß wir zu sorglos geworden sind. Es werden dunkle Propheten auftreten und Haß säen, es werden wieder Kriege unsere gesegnete Heimat verwüsten … Ach, könnte doch der Friede ewig dauern! Aber die Menschen sind wie Wölfe, sie können Frieden und ein glückliches Leben nicht aushalten.« Lorenzo erhob sich, lächelte schmerzlich und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
    Nach diesem Gespräch wußte Alessandro, daß seine Tage in Florenz sich dem Ende zuneigen mußten. Er war nun einundzwanzig Jahre alt und hatte sich dem Leben zu stellen. In Rom, in der Kurie, das hatte er auch Kardinal della Roveres Briefen entnommen, hatte man ihm verziehen. Seine Mutter schickte ihm immer seltener Geld und ermahnte ihn, trotz seiner jugendlichen Missetaten dem Auftrag seiner familiären Bestimmung zu folgen. Gelernt hatte Alessandro ebenfalls genug. Er konnte fließend Griechisch lesen und sich mit Marsilio Ficino über Platon unterhalten, ohne daß sich der alte Philosoph bemüßigt fühlen mußte, ihn zu belehren. Im Gegenteil, er empfahl ihm, seine ganze Kraft der Gelehrsamkeit zu widmen. Alessandro hielt diesen Gedanken nicht für den schlechtesten, und Ugo Berthone, mit dem er jetzt häufiger zusammen war, unterstützte ihn: » Lathe biosas , dies hat schon Epikur uns Männern empfohlen, führe ein zurückgezogenes, ein beschauliches Leben im Kreis ausgesuchter Freunde, bearbeite deinen Garten, liebe deine Frau, deine Kinder – und die Weisheit!«
    Alessandro mußte lachen und winkte ab. Aber als er abends allein war und seine Gedanken – wie immer unter dem Motto: Erkenne dich selbst ! – niederschreiben wollte, mußte er feststellen, daß er Ugo zu Unrecht ausgelacht hatte. Das Leben, das der alte Grieche und der junge Provençale empfahlen, hatte etwas Verführerisches. Sich einfach fallen lassen. Die Tage genießen. Der Welt nicht die Stirn bieten wollen. Und sich nicht von ihr vereinnahmen lassen. Auch Gott mußte man nicht davon überzeugen, daß man zu den Auserwählten gehörte. Man brauchte nicht vor dem Papst zu Kreuze zu kriechen und den Kardinälen zu schmeicheln. Sich nicht verstellen. Nicht lügen und betrügen. Nicht um Geld, Benefizien und Einfluß kämpfen. Nein, was zählte, waren Glück und Glückseligkeit.
    Er schrieb Silvia all diese Gedanken, verband in verwickelten Schlußsätzen das Ziel, glücklich und natürlich auch tugendhaft zu leben, mit der platonischen Vorstellung der Liebe: Zeugung und Geburt im Schönen . »Und, liebste Silvia, heißt es nicht auch im ersten Brief des Johannes: Gott ist Liebe? Wenn wir lieben, sind wir in Gott. Kann man sich etwas Schöneres und gleichzeitig Gottgefälligeres vorstellen? Aber ist uns ohne göttliche Gnade dieser Weg zur Glückseligkeit gegeben? Können wir auf diese Weise werden, wer wir sind?«
    Die Worte Liebe , Gott und Glück schrieben sich so leicht und unterschlugen die Zweifel, die Alessandro gleichzeitig plagten – insbesondere die Zweifel an Gott, und er stand in diesem Punkte nicht allein.
    »Gibt es wirklich einen Gott, so wie ihn unsere Priester von der Kanzel verkündigen?« fragte Ugo, als Alessandro und er am Ende eines gemeinsamen Ausritts nach Florenz zurückkehrten und am Friedhof von San Miniato eine letzte Rast einlegten und auf die Stadt schauten. »Lukrez glaubt nicht daran. Wenn unsere letzte Stunde schlägt, hauchen wir unser Leben aus, und dann zerfallen wir zu einzelnen kleinen, nicht mehr teilbaren Atomen . Nur das abergläubische Volk glaubt an Fegefeuer und Hölle, an Himmel und die unsterbliche Seele. Unsterblich Werden wir, wenn überhaupt, durch unsere Taten, durch das, was wir denken und an unsere Schüler weitergeben, durch das, was wir zum Glück der Menschen beigetragen haben.«
    Ugo hatte immer erregter gesprochen, sich dann zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Er versuchte, ruhig zu atmen.
    »Aber

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