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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zu den Opfern der Heidelberger Verkehrspolitik. Von den oberen Wohnungen seines Hauses hatte man freie Sicht auf die Umgehung, und nicht allzu weit entfernt rauschte die Autobahn. Ich gönnte es dem Dicken von Herzen.
    Sobald das Mädchen mit dem CD-Player außer Sicht war, bekam Schafstetts Wagen noch einen Tritt in die Seite.
    Fatty hatte mir den Namen meines Beschatters genannt. Schön. Außerdem hatte er mir das Kennzeichen von Schafstetts Wagen aufgeschrieben, dem er ja durch halb Heidelberg gefolgt war. Auch schön. Und möglicherweise hatte er mir sogar das Modell und die Farbe des Autos genannt – aber da musste ich geschlafen oder weggehört haben. Jedenfalls fiel es mir wie Schuppen von den Augen, als ich den Wagen auf dem Parkplatz vor Schafstetts Haus entdeckte.
    Ich Versager!
    Schafstett fuhr einen dunkelblauen Geländewagen. Einen Subaru mit Vierradantrieb, gestriegelt wie ein Rassehengst, aber breit wie ein Ochsengespann. So breit, dass er ein Gässchen vom Format der Plöck von rechts bis links ausfüllte. Und genau dort war ich dem Wagen zum ersten Mal begegnet: auf der Flucht vor der Polizei, nach dem Zusammenstoß mit den Schülern. Er war es ja gewesen, der mir Sichtschutz gegeben hatte, als ich mich in die Boutique rettete. Und während ich in der Umkleidekabine auf meine Entdeckung wartete, parkte Schafstett in aller Gemütsruhe seinen Subaru, schlenderte zu der Boutique hinüber und verpasste mir die erste von zwei Kopfnüssen.
    Na, warte. Dir würde ichs zeigen, Fettklops.
    Aber wie? Am besten so: bei Schafstett klingeln, Hallo sagen und ihm die Fresse polieren. Das war eine verdammt gute Idee. Verdammt gut, wirklich. Sie würde mir nämlich verdammt guttun. Und was würde sie zur Klärung des Falles beigetragen? Nichts vermutlich. Schafstett war ein harter Bursche, den musste man hart rannehmen, und wenn ich ihn zu hart rannahm, konnte er mir nichts mehr sagen. Aber ich brauchte Informationen. Nach dem Gespräch mit Arsani war ich so nah dran an der Lösung. Jetzt nichts überstürzen.
    Also unterdrückte ich meine Rachegefühle und beschloss abzuwarten. Schafstett lief mir nicht davon. Er würde seine Abreibung bekommen, früher oder später.
    Ich stellte mich in den Schatten einer Garage und steckte mir einen Kaugummi in den Mund. Hinter den Bäumen an der Grundstücksgrenze rumpelten die Laster vorbei, ab und zu blitzte die Sonne durch die dichte Wolkendecke. Mitten auf dem Parkplatz döste eine Katze.
    Das Mädchen mit der Zahnspange kam zurück, ohne Musik diesmal. Zusammen mit einer türkischen Freundin spielte es irgendein undurchschaubares Spiel um Körbchen und Stöckchen, ansonsten ließ sich niemand blicken. Graffiti zierte die Hauswand. Im Eingangsbereich lag ein großer Papierstapel, vom gestrigen Regen durchweicht. Ich begann, die Autos auf dem Parkplatz zu zählen. 12 Stück, bei 16 Wohnungen, nicht schlecht. Die Arbeitslosenquote in diesem Haus lag wahrscheinlich bei über 50 Prozent. Noch einmal zählen. 12 Autos, alles korrekt. Was konnte man noch zählen? Die vorbeifahrenden Laster? Die Würfe der Mädchen? Warum wartete ich eigentlich die ganze Zeit vor dem Haus?
    Ich spuckte den Kaugummi aus und schlenderte los, um den Block herum. Laut Parktafel wohnte Schafstett in I/4, also im Erdgeschoss. Beziehungsweise Hochparterre. Im Gehen linste ich aus sicherer Entfernung in Wohnzimmer- und Küchenfenster und entdeckte einen Mann, der nur mit Unterhosen bekleidet spülte. Und dabei rauchte. Schafstett war es nicht. Hinter dem Haus suchte ich mir einen geschützten Platz im Schatten eines Ginsterbuschs, um die Rückfront einer Musterung zu unterziehen. Grau war auch hier die dominierende Farbe. Jede Wohnung hatte einen Balkon, sogar die im Hochparterre. Schöner wurde das Haus deswegen nicht. Mehrere Radios dudelten. Die Wettervorhersage vermischte sich mit der heiseren Stimme einer Sängerin, die von Schmetterlingen im Frühling sang. Der Lärm von der Umgehungsstraße sorgte für den passenden Hintergrund.
    Nach einer Viertelstunde geschah etwas. Im Grunde war es nicht der Rede wert. Es war bloß ein kahl geschorener Mann im Trainingsanzug, der auf dem Balkon links unten erschien, einen Eimer in die Ecke stellte und wieder im Haus verschwand. Mehr nicht. Mir aber reichte es, um vor Wut in einen Ginsterzweig zu beißen.
    Ich war wirklich ein Dilettant.
    Heinz Schafstett ... Viel früher hätte ich mich um diesen Prügelotto kümmern müssen. Nicht nur, dass er mich mit seinem

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