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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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geht.
    »Du verdammtes Arschloch«, stieß ich hervor und ballte meine Hände.
    Hatte mir jemand geantwortet? Ich horchte auf. War da nicht ein Geräusch ...?
    Ich machte einen Schritt hinaus auf den Flur. Die Eingangstür zur Wohnung stand offen. Heinz Schafstett, eine Hand noch am Schlüssel, glotzte mich dämlich an. Und ich, der Privatflic, glotzte zurück.
    Kurze Generalpause. Dann machte der Dicke einen Schritt nach vorne. Ich hechtete ins Wohnzimmer und fühlte meine Meinung im nächsten Moment schmerzhaft bestätigt: Man sollte den Kerl keinesfalls unterschätzen. Sein Hieb traf mich von hinten an der Schulter, nicht mit voller Wucht, aber stark genug, dass ich aus der Bahn geworfen wurde und Hals über Kopf in die Couchgarnitur purzelte. Kaum hatte ich die Orientierung wiedergefunden, schnellte ich hoch, weil ich jeden Moment mit zwei Zentnern gut abgehangenen Schafstetts über mir rechnete.
    Wieder verschätzt. Der Fettklops stand seelenruhig im Türrahmen und sagte so gemütlich, als sei er beim Einkaufen: »Bleib, wo du bist, Wichser!«
    Ein starker Auftritt. Folgsam blieb ich stehen und hob die Pfoten. Wo, um alles in der Welt, hatte Schafstett plötzlich die Pistole her?
     
     

39
    Die Kunsthistoriker residieren in der Seminarstraße, nicht weit entfernt vom Uniplatz, in einem schicken, 300 Jahre alten Palais. Sehr passend, denkt sich unsereins beim Blick auf die restaurierte Fassade, genau da gehören sie hin, die Nachfolger Jacob Burckhardts, mit ihrem geschulten Auge, mit ihrem Sinn für Ästhetik und Geschichte. Im Innern des Gebäudes verfliegen solche Gedanken. Man öffnet eine Feuerschutztür, betritt enge, dunkle Flure, lange Neonröhren zucken, unter den Füßen quietscht das Linoleum. Die Raufaserwände sind vergilbt, die Fenster winzig. Hat man sich vielleicht in der Adresse geirrt? Ist man versehentlich ins Gefängnis auf der gegenüberliegenden Straßenseite geraten? Nein, es stimmt, man befindet sich im Kunsthistorischen Institut der Universität Heidelberg, außen Rokoko, innen Bunker.
    In diesen Mauern also arbeitete der fröhliche Professor. Ich stellte mir vor, wie sie drüben in der Haftanstalt Chagall-Poster neben die Türen pinnten, während hier bloß rostige ›Rauchen verboten!‹-Schilder an der Wand hingen. Nach Zigaretten roch es trotzdem. Das einzig Bunte im ganzen Gebäude waren die roten Mülleimer.
    Ich fragte im Sekretariat nach Arsani.
    »Sprechstunde hat er nicht.«
    »Aber er ist da?«
    »Sprechstunde montags von zwei bis vier.«
    »Und in welchem Zimmer findet die Sprechstunde statt?«
    »Raum 323, eine Etage höher.«
    Für eine studentische Hilfskraft hatte die junge Frau schon verdammt viel Sekretärinnenroutine. Man musste ja sehen, wo man blieb als Kunsthistorikerin. Ich stiefelte hoch in den zweiten Stock. Dasselbe trübe Neonlicht, die gleichen lustigen Mülleimer an der Wand.
    Für Arsanis Sprechstunde am Montag gab es eine Warteliste, und die war bereits voll. Wie beim Zahnarzt. Im Innern des Dozentenzimmers waren Stimmen zu hören, recht laute Stimmen sogar. Sehr schön, Arsani empfing heute also doch Besucher. Ich nahm auf einem Stuhl neben seiner Tür Platz und wartete.
    Lange wartete ich nicht. Einige Studentinnen kamen vorbei und zwei türkische Putzfrauen. Lachend schlurften sie durch die tristen Gänge und unterhielten sich über Männer. Die Putzfrauen nämlich. Dann wurde die Tür von Raum 323 aufgerissen.
    »Guten Morgen«, sagte ich. »Na, noch ein bisschen weitergefeiert?«
    Die junge Frau sah nicht aus, als ob sie mich erkannte. Es war die hübsche Brünette von gestern Abend, nur nicht mehr ganz so hübsch: Ringe um die Augen, Schmolllippen, ein wenig zu aufdringlich geschminkt. Wutschnaubend – nicht wegen mir, sie kam schon so aus dem Zimmer – wutschnaubend warf sie die Tür hinter sich zu und rauschte davon.
    »So ein Flachwichser!«, brüllte sie, dass es durch das ganze Palais hallte. »Dieser miese Lustgreis!« Beine wie in der Baumschule.
    Ich erhob mich. Hatte ihr Arsani eine schlechte Note gegeben? Oder einen Heiratsantrag abgelehnt? Auf jeden Fall war die Frau wieder so nüchtern, dass sie sich entschlossen hatte, aus dem gestrigen Abend Profit zu schlagen. Sexuellen oder studientechnischen, je nachdem. Und nun war sie bei Arsani, dem alten Schwerenöter, abgeblitzt.
    Ich klopfte an die Tür des Dozentenzimmers. Keine Antwort.
    Ich klopfte wieder, und da Herr Professor nicht geruhte, mich hereinzubitten, öffnete ich die Tür ohne

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