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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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weiter. Wie lange hat er bei dir übernachtet?«
    »Eine Nacht bloß. Wir hatten ...«
    »Du hast ihn tatsächlich aufgenommen?«, fuhr der Alte dazwischen. »Diesen Verbrecher? Warum bist du nicht zur Polizei gegangen?«
    »Weswegen denn?«, gab Arndt schrill zur Antwort. »Er wollte ja bloß übernachten. Wart nur ab, was er über dich erzählt hat!«
    »Das hast du doch nicht ...«
    »Immer mit der Ruhe«, unterbrach ich Bünting. »Alles zu seiner Zeit. Erzähl weiter, Arndt, und lass dich nicht einschüchtern.«
    Nun setzte er sich doch. Er griff zum Glas, das ich wieder gefüllt hatte, trank aber nicht. »Als er anbot, draußen im Hof zu schlafen, überließ ich ihm schließlich mein Zimmer. Die anderen hatten nichts dagegen, solange es nicht für länger war. Ich schlief dann hier.«
    »Und zwar die ganze nächste Zeit.«
    Er nickte.
    »Kommen wir zum Freitag. Was tat er tagsüber?«
    »Keine Ahnung. Er lungerte in der Stadt rum, sagten mir die anderen. Abends traf ich ihn auf meiner Bude.«
    »Und dann kam es zum Streit?«
    Er nickte wieder. »Dieser ganze Tag war so was von beschissen, ein einziger Alptraum ... Er musste so enden.«
    Wir warteten.
    Ein Schluck, und er konnte fortfahren. »Wir hatten abends eine Gedenkfeier, oben auf dem Ehrenfriedhof. Da wollte er unbedingt mit. Ließ sich einfach nicht abwimmeln. Ich war sowieso von allen genervt, da kam mir der Typ gerade recht. Ich sagte ihm, er solle verschwinden. Er bettelte um eine letzte Übernachtung, weil er sich die Feier und den Friedhof ansehen wollte, da hätte ich ihm am liebsten schon die Fresse poliert. Am Ende zogen wir los, und er folgte uns einfach. Den anderen erzählte er was von Verwandten, die im Krieg gefallen seien, was weiß ich.«
    Ich überlegte mit halb geschlossenen Augen. Freitagabend; die Jungs feierten oben auf dem Ehrenfriedhof. Zwischen ihm und dem höchstgelegenen Teil des Bergfriedhofs lag ein Fußweg von fünf Minuten.
    »Oben gab es erst mal was zu saufen, dann ein paar Ansprachen und dann wieder Bier. Jakob fand das langweilig, er interessierte sich nur für die Gedenksteine. Lief eine halbe Stunde rum und war dann verschwunden.«
    »Und ihr habt ordentlich weitergezecht.«
    »Gott, ja. Ich hab schon was getrunken. Alle haben das.«
    »Nächste Stufe der Eskalation: Georg, Marten und die anderen.«
    Er schaute mich überrascht an. »Ja. Irgendwann fingen sie wieder damit an. Dass ich bei der Mensur gekniffen hätte und sowieso ein Feigling wäre. Marten hat sie alle aufgestachelt, ich weiß nicht, was der gegen mich hat. Als zuletzt Georg rumtönte, ich hätte alles nur meinem Großvater zu verdanken und sei ein echtes Muttersöhnchen, rastete ich aus. Ich wollte mich mit ihm prügeln, aber die anderen hielten mich ab. Da lief ich weg. Einfach so.«
    »Und dann?«
    »Ich weiß nicht, wohin ich lief. In den Wald rein, ich war völlig von der Rolle. Plötzlich stand Jakob vor mir, genauso aufgeregt. Und genauso betrunken. Jedenfalls stank er nach Schnaps. Wir schrieen uns gegenseitig an, total sinnlos. Ich kapierte überhaupt nicht, was er meinte. Er sagte, mein Opa sei ein Verbrecher, schlimmer, als er je gedacht hätte, und er könne es beweisen. Ich sollte nur mitkommen. Zum Bergfriedhof.«
    Bünting hing mit starrem Blick an den Lippen seines Enkels, der tonlos weitersprach.
    »Keine Ahnung, warum ich mitging. Ich stand ja völlig neben mir. Auf dem Bergfriedhof führte er mich zu einer Reihe von Kriegsgräbern und fing an, über Großvater herzuziehen. Er hätte im Krieg als Soldat ein junges Mädchen vergewaltigt. Eine Minderjährige. Er könne das beweisen. Und das sei noch nicht alles. Der ganze Reichtum meines Opas, sein ganzer Erfolg und all das, sei auf einem Betrug aufgebaut. Und dann fuchtelte er wieder mit dem Foto vor meinen Augen herum und fluchte und lachte ... Ich meine, der Typ war verrückt, aber er beleidigte meinen Opa, und ich war ohnehin am Durchdrehen. Ich gab ihm eine Ohrfeige und nahm ihm das Foto ab, da zog er ein Messer. Schrie rum und bedrohte mich: Das Geld meines Opas könne ich vergessen, und ich solle mich ja in Acht nehmen. Da stach ich zu.«
    »Wie bitte? Du hast ... zugestochen?«
    »Ich hatte unser Florett umhängen.«
    »Euer Florett?«
    Wäre es nicht so traurig, ich hätte laut losgelacht. Mit der alten Burschenwaffe brachte dieses Milchgesicht einen Mann um die Ecke. Klassisch. Widerlich. Deshalb hatten wir keinen Knall gehört, und deshalb war die Wunde so klein gewesen. Ich sah

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