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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hatten sie uns in die Waffen-SS gesteckt. Ich weiß nicht, ob Sie das ...« Er stand auf und ging zum Fenster. Ein herrlicher Frühlingstag ging zu Ende, Wolken und Sonne in ständigem Wechsel. »Sehen Sie, wir waren verdammt jung damals, und es waren schreckliche Zeiten. Ich hasste mein Elternhaus, Jakob hatte niemanden, er war Vollwaise. Die SS schenkte uns eine Art Heimat, eine Familie, Sie mögen darüber urteilen, wie Sie wollen. Man setzte uns in ganz Deutschland zur Feindabwehr ein, sinnlose Manöver waren das, aber uns gaben sie eine Bestätigung, wie wir sie noch nie erlebt hatten. Es dauerte einige Monate, bis wir unseren törichten Glauben an das Regime verloren. Wie auch immer, im März 1945 kamen wir nach Heidelberg. Wir waren eine kleine Truppe, und ich hatte einen guten Draht zum Chef unserer Einheit. Eines Tages kommt Jakob zu mir und sagt, er habe eine große Dummheit begangen. Er müsse raus aus der Stadt. Am nächsten Tag klopft er wieder an, beichtet die Vergewaltigung und bittet mich inständig, ihm zu helfen. Wenn das Mädchen rede, sei er dran.« Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und schnäuzte sich ausgiebig.
    »Und dann?«
    »Um das Folgende zu verstehen, muss man sich die damalige Situation vor Augen führen. Die Amerikaner standen bereits im Land, uns mangelte es an allem, täglich trafen neue Hiobsbotschaften ein. Das reinste Chaos, Endzeitstimmung. Auch hier in Heidelberg, wo es nicht halb so schlimm war wie in Mannheim oder Ludwigshafen. So. In derselben Nacht, als Jakob mich um Hilfe bat, fielen Bomben auf die Stadt. Es gab Tote, ein knappes Dutzend, drüben in Bergheim.«
    »Und diesen Opfern haben Sie Ihren Kumpel Jakob untergeschoben?« Nach und nach klärte sich alles. Auch, warum die alte Frau auf dem Friedhof dem angeblichen Toten immer noch grollte.
    »Genau. Es war ein Kinderspiel. Ich sagte meinem Kompaniechef, Burkhardt sei unter den Opfern, ich hätte ihn identifiziert, und um alles andere würde ich mich selbst kümmern.«
    »Wen legten Sie statt seiner ins Grab?«
    »Niemanden. Das Grab blieb leer. Die Bombentoten wurden in aller Eile verscharrt, ein Holzkreuz, das wars. Später hat die Stadt noch diese Steinplatten hinzugefügt.«
    »Aber das Grab hätte doch zufällig geöffnet werden können.«
    »Na und? Lag halt keiner drin. In den letzten Kriegstagen ging es hier drunter und drüber. Sie waren nicht dabei, Sie können das nicht wissen, Koller.«
    Nein, unsereins konnte das nicht wissen. So hatten sie meine Generation immer abgewimmelt, wenn wir nach dem Krieg und ihrer Nazivergangenheit fragten. Das versteht nur, wer es selbst erlebt hat ... Da könnt ihr nicht mitreden ... Und nun sollte ich Büntings Geschichte glauben; dummer, glücklicher Nachgeborener, der ich war. Glauben oder nicht, ich hatte die Wahl. Arndt hatte sich längst entschieden. Er hörte zu und schwieg. Willenlos. Ein leeres Blatt, von seinem Großvater mit dem gewünschten Text beschrieben.
    »Und Jakob? Er tauchte unter?«
    »Unser Deal war: Ich verhelfe ihm zur Flucht, und er lässt sich hier nie wieder blicken. Die Familie der Kleinen machte ganz schön Stimmung in der Stadt, als die Vergewaltigung ruchbar wurde.«
    »Jakob hielt sich an die Verabredung. Bis vor einer Woche.«
    »Er muss sich 1945 bis nach Ungarn oder Rumänien durchgeschlagen haben. Irgendwann saß er im Ostblock fest. Ich habe nie erfahren, wie und wo. Wir hatten keinen Kontakt mehr.«
    »Überhaupt keinen? Wollte er nicht irgendwann nach Deutschland zurück?«
    »Zunächst auf keinen Fall. Später dann – wer weiß? Ich nehme an, er hat sich drüben eine neue Existenz aufgebaut. Davon abgesehen, lebte er bis 1989 hinter dem Eisernen Vorhang. Vor allem aber: Was hätte er hier gewollt? Er hatte keine Familie, kaum Geld ... Wie sollte er Bekannte von damals aufspüren? Ohne die zufällige Begegnung mit Arndt wäre er wohl niemals zurückgekommen.«
    »Und plötzlich meldet er sich und erinnert Sie an einige unerfreuliche Details aus Ihrer Vergangenheit.«
    »Hören Sie auf.« Bünting winkte ab. »Dass er die Vergewaltigung mir anhängen wollte, hätte ich dem Kerl nicht zugetraut. Immerhin hatte ich ihm damals geholfen. Eine Schande, was der Kommunismus aus den Leuten gemacht hat. Ruft mich der Kerl an, droht mir und verlangt Geld! Nach 60 Jahren.«
    »War da nicht noch mehr als nur die Geschichte mit dem Mädchen?«
    »Absolut nichts, Koller. Natürlich weiß ich nicht, was Jakob in seiner Verzweiflung oder seiner

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