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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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abgehakt. Warst du mir jeden Tag auf den Fersen?«
    Er überlegte. »Am Montag nicht, da war ich beim Arzt. Sonst ja.«
    »Sonntag habe ich dich im Englischen Jäger gesehen.«
    »Wo?«
    »In Marias Kneipe.«
    »Ja, natürlich. Da habe ich mich nach ein paar Stunden aber verdrückt. Du hast ja bloß Schach gespielt und Scheiße erzählt.«
    »Wie du das immer formulierst, Heinzi ... Was lief am Dienstag?«
    »Nachmittags rief mich Jochen an und sagte, du würdest einfach nicht locker lassen. Du wärst sogar in Darmstadt gewesen. Er wollte auf jeden Fall seine Firma und seine Familie aus der Geschichte heraushalten.«
    »Die Eckpfeiler des neuzeitlichen Patriarchats«, murmelte ich.
    »Wie?«
    »Mach weiter.«
    »Von jetzt an sollte ich dich nicht mehr aus den Augen lassen. Ich also hinter dir her, wie du zu diesen Studenten am Neckar bist. Erst habe ich gewartet, bis mir einfiel, dass der Arndt ja in so einer Bude wohnt, gell. Da bin ich um das Haus herumgeschlichen und habe euch gesehen. Ich dachte, das müsste Jochen interessieren. Ich rief ihn an, und als ihr nach Ewigkeiten immer noch nicht herausgekommen wart, fuhr ich zu ihm.«
    »Und er?«
    »Hat ganz schön geflucht. Das war genau das, was er vermeiden wollte: dass seine Verwandten mit hineingezogen werden.«
    »Und dann kam der Auftritt von Katerina.«
    »Der war vorher schon. Sie wollte nämlich auch Geld von ihm. Hatte anscheinend am Freitag irgendwas mitgekriegt, ich weiß nicht, was und woher. Die hatte ihre Ohren überall. Sie fing ganz harmlos mit einer Gehaltserhöhung an, und als er wissen wollte, wie viel, sagte sie: das 10-Fache.«
    Das 10-Fache von 500 Euro ... schon waren wir wieder bei den ominösen 5000.
    »Er lachte natürlich nur, und dann legte sie die Karten auf den Tisch. Sagte, sie würde zur Polizei gehen. Das war der Stand, kurz, bevor ich kam. Jochen war ziemlich am Ende, wusste überhaupt nicht mehr, was er tun sollte. Ich habe ihn noch nie so erlebt. Ich sagte, ich würde das schon regeln, und nahm mir die Russin vor.«
    »Ukrainerin.«
    »Meine ich doch. Wir stellten sie also zur Rede, sagten, dass sie keinen Cent bekäme, sie wurde frech und drohte uns, bis ich ihr irgendwann eine scheuerte.«
    »Charmant.«
    »Verdammt noch mal, dieses Biest war nicht kleinzukriegen. Nach meiner Ohrfeige drehte sie durch. Sie rannte aus dem Zimmer, aus dem Haus und in den Garten. Ich hinterher.« Er stockte.
    »Und dann? Überleg nicht zu lange, sonst glaube ich dir nicht.«
    Er sah zu Boden. »Jetzt ging die Scheiße erst richtig los. An einer Stelle kommt man ganz gut über das Gitterwerk. Da wollte sie rüber. Aber als sie oben war, rutschte sie plötzlich weg und hing in den Spitzen drin.«
    »Sie ist von selbst reingefallen?«
    »Ja, verdammt noch mal. Wir konnten nichts dafür. Sie ist vollkommen durchgedreht.«
    »Aber sie muss doch geschrien haben! Hat das keiner gehört?«
    Der Fettklops schluckte. Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Ich hab ... ich hab ihr den Mund zugehalten. Die ganze Zeit.«
    Stille.
    Ich sah weg. Was sollte man dazu sagen?
    Der Boxer schluchzte vor sich hin. George Foreman? Ein Klumpen ranziger Butter.
     
     

43
     
    Wenn es für dümmliches Glotzen Geld gäbe, wäre ich jetzt ebenso reich wie Bünting. Gemeinsam starrten wir Arndt an, als käme er vom Mars.
    »Schaut mich nicht so an!«, schrie der Junge und zog die Nase hoch. Dann drehte er sich zur Seite und trommelte mit beiden Fäusten gegen die Wand.
    Ich ließ ihn trommeln. Brauchte selbst ein wenig Zeit, um mich gedanklich auf die neue Situation einzustellen. Aber dann ging mir ein Licht nach dem anderen auf. Eine ganze Lichterkette! Im ersten Moment hatte ich geglaubt, der Junge wolle sich für seinen Großvater opfern. Das war natürlich Unsinn. Arndt hatte die Wahrheit gesprochen. Und gleichzeitig die Ursache für seine Eskapaden der letzten Tage genannt.
    Bünting hingegen verstand überhaupt nichts. Er trat zu seinem Enkel, packte ihn an der Schulter und redete ihm gut zu. Eine hilflose Aktion. Immerhin zeigte er sich um sein eigen Fleisch und Blut bemüht. Arndt schüttelte ihn ab und rannte schluchzend hinaus.
    Fassungslos sah Bünting ihm nach; dann drehte er sich zu mir um. Seine Hilflosigkeit verwandelte sich in Wut, er begann wieder herumzuschreien: »Da sehen Sie, was Sie angestellt haben! Jetzt dreht der Junge durch! Kein Wunder bei Ihren Wahnvorstellungen!«
    Ich schüttelte den Kopf. Bünting lag diesmal falsch, so falsch wie noch nie,

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