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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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gerne.«
    »Schon gut«, meinte sie. »Viel Erfolg bei der Suche.«
    Dann ging sie. Ich sah ihr nach, bis sie hinter einer Biegung des Weges verschwunden war. Sie schlurfte, hielt sich aber bemerkenswert aufrecht. Ein wenig ähnelte sie wirklich meiner Großmutter.
    Die Lust auf weitere Schnuppertests war mir vergangen. Ich packte meine Fundstücke ein und verließ den Friedhof. Stieg auf mein rotes Fahrrad, ergriff die Lenkstange des anderen und fuhr davon. Den Kopf voller Gedanken, die Taschen voller Müll.
     
     

6
    »Das kann doch nicht sein, Max!«, rief Fatty und ruderte mit seinen kurzen Armen. »Eine Leiche verschwindet nicht einfach so.«
    »Sie war aber nicht mehr da.«
    »Dann hat sie einer weggebracht. Dein Pfeffersprayer, wer sonst? Und den muss einer gesehen haben.«
    »Wer denn?«
    »Überleg doch mal, dieses Risiko. Da läuft einer mit einem Toten huckepack über den Friedhof und fährt ihn dann durch halb Heidelberg. Dafür muss es doch Zeugen geben!«
    »Mitten in der Nacht? Nein, muss es nicht. Angenommen, der Alte hat einen guten Grund, den Mord zu vertuschen. Zum Beispiel weil er persönlich darin verwickelt ist, auf welche Weise auch immer. Dann muss er die Leiche beseitigen. Und so groß ist sein Risiko nicht. Dieser obere Teil des Friedhofs liegt ziemlich einsam, ein paar Meter nur, dann ist er am Ausgang, und wenn er seinen Wagen geschickt geparkt hat, sieht ihn kein Mensch.«
    »Und der Einzige, der von dem Toten weiß, liegt kampfunfähig im warmen Bett. Du bist mir ein schöner Ermittler.«
    Ich sah Fatty zu, wie er mit vorwurfsvoller Miene ein Stück Weißbrot in die Olivenöltunke stippte.
    »Die Schmerzen«, sagte ich, »die Schmerzen waren einfach unerträglich. Schlimm war das. Schlimm.«
    Er hielt inne und betrachtete mich eingehend von oben bis unten, bevor er das öltriefende Stück Brot in den Mund steckte.
    »Schlimm«, wiederholte ich und schaute gequält zur Seite.
    »Schmerzen machen stark«, bemerkte er kauend. Dann leckte er sich gedankenverloren die Finger ab. Er sah aus, als habe er gegen einen zweiten Teller Lamm und Aubergine nichts einzuwenden.
    Lautes Klirren ließ uns hinunter in den Hof schauen. Eine Bewohnerin des Hinterhauses stieg gerade von ihrem Rad, im Lenkerkorb purzelten Bierflaschen in einer Plastiktüte durcheinander. Die Frau war dürr und hässlich und Zahnarzthelferin. Zumindest hatte sie Letzteres mir gegenüber einmal behauptet. Jeder im Block kennt sie, weil sie sich regelmäßig mit ihrem Freund streitet, der großformatige Aktbilder malt und möglicherweise sogar verkauft. Sie streiten lange und laut. Man hört es im Hinterhaus, im Vorderhaus, in den Nachbarhäusern. Einmal kam sogar der Besitzer der Apotheke vis-à-vis, klingelte und fragte, ob er helfen könne. Er hatte Pflaster und Mullbinden mitgebracht. Weswegen die beiden streiten, weiß ich nicht. Jedenfalls nicht wegen der Aktbilder. Der Mann malt immer nur aus dem Gedächtnis; Modelle kann er sich nicht leisten.
    Die dürre Frau stellte ihr Rad ab und nahm die Plastiktüte mit den Bierflaschen aus dem Korb. Sie schlurfte zum Hintergebäude und kramte nach ihrem Hausschlüssel, ohne ihn zu finden. Kurz überlegte sie, dann stellte sie die Tüte auf den Boden und öffnete eine Flasche. Mit den Zähnen. Trinkend blickte sie sich schuldbewusst um; nach oben wanderte ihr Blick allerdings nicht.
    Wir schauten uns schweigend an. Mit den Zähnen, Respekt. Und das von einer Zahnarzthelferin. Vielleicht kam sie billig an Prothesen.
    »Der Tote«, begann Fatty, als die Frau im rückwärtigen Gebäude verschwunden war. »Hast du eine Idee, wer er sein könnte?«
    »Schwer zu sagen.«
    »Kein Anhaltspunkt? Nichts Besonderes an ihm? Beschreibe ihn mal.«
    Achselzuckend stellte ich mein Glas auf den Tisch. »Ich habe ihn ja nur kurz gesehen. Er war im Pensionsalter, über 70 wahrscheinlich, mittelgroß, hageres, fast knochiges Gesicht, markante Nase und die Augen… starr und weit geöffnet halt. Braune Augen. Ein abgetragener Anzug. Dunkle Hosen, dunkle Schuhe, alles recht unansehnlich. Das Einprägsamste waren seine Augen.«
    »Jean-Louis Trintignant.«
    »Da gab es doch mal diesen jüdischen Nobelpreisträger aus New York, der so heißt wie ein Tier, na ...?«
    »Katzehundtiger?«, half Fatty freundlich.
    »Nee, was Netteres. Egal. Ich komm schon noch drauf. Übrigens roch er nach Mottenpulver.«
    »Nach Mottenpulver?«
    »Ja, nach Mottenpulver. Kann ich auch nichts dafür. So wie es bei dir riecht,

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