Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
kommt mitten in der Nacht zum Friedhof, um den Toten wegzuschaffen. Er braucht erstens ein Auto. Zweitens einen Ort, an dem die Leiche so schnell nicht entdeckt wird, am besten über Jahre nicht. Wie war das noch mal mit der Todesursache?«
    »Ich schätze, er hatte eine Schussverletzung. Wobei ich keinen Schuss gehört habe.«
    »Vielleicht ein Schalldämpfer? Jedenfalls kann der Mörder so keinen Unfall vortäuschen. Die Leiche in einem Steinbruch zu deponieren, scheidet also aus. Was sonst? Ein stillgelegtes Bergwerk, eine Sondermülldeponie ... nein.« Er entkorkte die Rotweinflasche und schenkte sich nach.
    »Red nur weiter.«
    »Ich würde ihn verbrennen. Besser als im See versenken oder klein gehackt einfrieren. Beim Verbrennen bleibt nichts übrig, wenn man es richtig macht.«
    »Mit anderen Worten: Ich brauche nur in der Bergstraße nach heimlichen Feuerchen hinterm Haus Ausschau zu halten.«
    »Das wäre zumindest ein Anfang. Natürlich musst du die Tatwaffe finden.«
    »Wenn es weiter nichts ist.«
    »Und du musst klären, warum dich der Alte zum Bergfriedhof bestellt hat.« Er nickte anerkennend. »Ein ordentliches Programm für die nächsten Tage, Respekt. Da heißt es, rechtzeitig aufzustehen. Der frühe Vogel fängt den Dings. Den Wurm.«
    »Wiesel, richtig.«
    »Vogel, nicht Wiesel. Wiesel fressen keine ...«
    »Der Nobelpreisträger. Jetzt fällt es mir wieder ein. Elie Wiesel hieß der. Und genau so sah mein Toter aus.«

7
    Am Steigerweg hatten sie ganze Arbeit geleistet. Die Straße war von ihrem tiefsten Punkt am Alois-Link-Platz bis zum nördlichen Nebeneingang des Bergfriedhofs aufgebaggert, und nur auf einer Seite hatte man einen schmalen Streifen für den Verkehr freigelassen. Die Heidelberger Stadtbusse passten so eben hindurch, mussten allerdings den Bürgersteig mitbenutzen. Befahrbar war der Durchlass bloß in einer Richtung; wer hinunter in die Stadt wollte, musste, wie der Silberrücken in der gestrigen Nacht, den Umweg über den Gaisberg in Kauf nehmen.
    Ich erwähne das nur, weil es Folgen für den weiteren Verlauf der Geschichte hatte. Natürlich ließ ich mich sofort hügelabwärts rollen, um den Steigerweg gegen die vorgeschriebene Richtung zu durchfahren. Keine Chance. Von unten kamen nicht viele Autos, aber sie kamen regelmäßig, und zwischen der Friedhofsmauer und der Baustellenabsperrung gab es keinen Platz zum Ausweichen. Außerdem war ich mit meinen beiden Fahrrädern – eines unter, eines neben mir – fast so breit wie ein PKW.
    Ich wendete also schweren Herzens und fuhr bergauf. Noch vor der ersten Serpentine bog ich links ab und nahm eine Abkürzung durch den Wald, die mich zum Johannes-Hoops-Weg führte. Eine kurze Strecke musste ich schieben. Nassgeschwitzt kam ich oben an. Die restliche Strecke war kein Problem, es ging relativ eben an der Riesensteinkanzel vorbei und dann die Klingenteichstraße hinunter in die Altstadt.
    Allerdings gab es hier deutlich mehr Verkehr, als ich erwartet hatte. Ob es an der Umleitung lag? Oder war das schon Heidelbergs Wochenendtourismus? Wie auch immer, ich war kaum in die talwärts führende Klingenteichstraße eingebogen, als sich auch schon eine lange Schlange hupender PKWs hinter mir bildete. Für die schmale Straße war mein Doppelsitzer einfach zu breit.
    Ganz ruhig, sagte ich mir, bis nach unten ist es nicht weit, wir haben Samstagmorgen, kein Grund zur Eile. Leider sah der motorisierte Rest der Bevölkerung das anders. Ich glaubte, die Trompeten von Jericho hinter mir zu haben: Es wurde gehupt, Bremsen winselten, einer lehnte sich aus dem Beifahrerfenster und beschimpfte mich. Und was sie mir erst zuriefen, wenn sie mich überholten! Ich sehnte mich in die Stille des Bergfriedhofs zurück.
    »Was erwartest du, Max?«, hätte Fatty gesagt. »Spießer sind das. Spießer, wie sie im Buche stehen. Und zwar in keinem schönen Buch.«
    Vermutlich hatte er recht. Es waren Spießer, aber sie regten mich auf. Sogar ihre Autos regten mich auf, diese albernen Corollas und Civics und Passat Kombis. Es war immer dasselbe Spiel: Ein Motor heulte auf, man scherte nach links, zog an mir vorbei, gestikulierte und fluchte, dann sah ich nur noch die Hinterfratzen dieser scheußlichen Kleinwagen, regelrechte Metallgrimassen, die Rücklichter blitzten verächtlich, die Stoßstangen waren flach und breit und ähnelten zusammengekniffenen Lippen.
    Wie elend lange diese Straße aber auch war! Und ich musste ja vorsichtig fahren.
    Irgendwann löste

Weitere Kostenlose Bücher