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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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aufbrechen, in Megaphone brüllen, harmlose Passanten links und rechts gegen die Wand schleudern. Ich hörte das Trommeln ihrer Stiefel auf dem Asphalt. Sie wurden immer mehr und mehr, Mannschaftswagen, grüne Minnas kamen von allen Seiten, spuckten Hundertschaften aus, MGs im Anschlag, Helikopter kreisten, Gullydeckel hoben sich, Laternenmasten fingen an loszuballern. Polizeihunde schnüffelten hechelnd herum, schlugen bei meinem Rad an, fanden meine Fährte, hetzten in Richtung Boutique, wo sich zwei Frauen ängstlich hinter dem Ladentisch verkrochen.
    Draußen blieb alles ruhig. Ich blieb ganz ruhig.
    Ich wechselte das Kino. Ein anderer Film: kleines Fernsehspiel. Alle meine Freunde kamen darin vor, sie formierten sich zum Chor einer griechischen Tragödie und riefen gemeinsam: Du verdammter Idiot!
    Ich schwieg, denn ich wusste, sie hatten recht.
    Du verdammter Idiot! hallte es durch meinen Schädel, welcher Teufel hat dich geritten, eine Verfolgungsjagd mit der Polizei anzuzetteln? So etwas darf einem Privatflic einfach nicht passieren. Darf es nicht, Max! Deinen Job kannst du an den Nagel hängen. Oder such dir eine andere Stadt. Hier kommst du auf keinen grünen Zweig mehr, zieh Leine.
    Vielleicht ... vielleicht finden sie mich ja nicht.
    Kennst du eine griechische Tragödie mit Happy End? – Ich sah meine Ex-Frau mitten in dem Chor stehen; sie blickte am vorwurfsvollsten von allen.
    Ich kenne überhaupt keine griechische Tragödie. Außerdem sind wir hier in Heidelberg.
    Vergiss es, Max. Die Geschichte mit dem Toten auf dem Bergfriedhof kannst du abhaken, ein für allemal. Außer Spesen nichts gewesen. – Abgang Chor zur Seite.
    Ganz ruhig. Ein Zeh meines linken Fußes juckte ein wenig. Ich rührte mich nicht. Sie hatten ja recht. Es war vorbei. Außer Spesen nichts gewesen. Nix, absolut nix gewesen. Nur gelesen, die Besen, der Tresen. Im Senegal wohnen die Senegalesen. Und wer wohnte auf dem Bergfriedhof? Keiner, der sich reimte.
    Ich horchte. Das Spielfilmchaos in meinem Kopf verebbte. Der Abspann lief.
    Ganz, ganz ruhig.
    Okay, noch hatten sie mich nicht, und vielleicht gab es eine kleine Chance, unerkannt hier herauszukommen. Aber sie brauchten bloß meine beiden Fahrräder zu finden, schon war ich geliefert. Das Rennrad trug eine registrierte Seriennummer.
    Draußen ging die Türklingel.
    Ich lauschte angestrengt. Es war nichts Deutliches zu vernehmen: zwei, drei leise Stimmen vielleicht. Nach bewaffneten Hundertschaften hörte sich das nicht an.
    Der Vorhang bewegte sich wieder sachte. Ich hob zum ersten Mal nach langer Zeit den Blick und ließ ihn langsam, sehr langsam den dunkelroten Vorhang hinaufwandern. Einen Zentimeter, noch einen Zentimeter ... Bis ich meinen Kopf gerade hielt.
    Die Minuten verstrichen. Nichts passierte, nichts war zu hören. Totenstille.
    Was war da los? Stand die geballte Staatsmacht der Bundesrepublik Deutschland mit Gewehr im Anschlag vor dem Geschäft und wartete, bis ich auftauchte? Unsinn. Ich sah zu viel fern. Es herrschte Stille in der Boutique, es herrschte Stille vor der Boutique, und der naheliegendste Grund hierfür war der, dass mich meine übermotivierten Verfolger aus den Augen verloren hatten. Entweder tappten sie immer noch verzweifelt durch das Labyrinth aus Schulkindern, oder mein simples Manöver mit dem Geländewagen hatte gefruchtet. Vielleicht gelang es mir sogar, meine Fahrräder zu retten. Es bestand also noch Hoffnung.
    Ich wartete. Nun juckte auch ein Zeh rechts.
    Nach endlos langer Zeit, in der wirklich überhaupt nichts passierte – was war eigentlich mit der dicken Kundin? –, nach quälend leeren, ereignislosen Minuten entschloss ich mich, mein Versteck zu verlassen. Der Entschluss war das eine. Es dauerte aber fast noch einmal so lange, bis alle meine lädierten Körperteile, von den juckenden Zehen bis zum brummenden Schädel, sich bereit und willens zeigten, diesem Entschluss Folge zu leisten.
    Und dann war es so weit: Langsam schob ich den roten Vorhang einen klitzekleinen Spalt zur Seite.
    Als Erstes traf mein Blick auf einen kurzen blauen Rock, der zwei Meter entfernt an einem Kleiderbügel hing. Das freute mich. Was ich als Nächstes sah, freute mich weniger. Zugegeben, es war nur ein kurzer freudloser Moment, aber der hatte es in sich.
    Für den Bruchteil einer Sekunde erkannte ich deutlich und klar eine Faust vor meinen Augen. Eine Faust: geballt und kräftig und bereit zuzuschlagen.
    Der Vorhang dämpfte den Schlag minimal; mit einem

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