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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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wusste längst, dass er das Spiel gewonnen hatte. Zugeben würde er es nicht. Denk doch nur, Max, bei der Eröffnung, bei dem Katastrophenbeginn ... Wie soll man da erwarten, dass am Ende ... Da hab ich aber noch mal Glück gehabt.
    Gegen Herbert zu verlieren, ist keine Schande. Ich machte einen Verlegenheitszug.
    Wir saßen zu sechst am Tisch. Die revolutionäre Brigade hatte sich verzogen, nur der lange Nickelbrillentyp leistete uns noch Gesellschaft, unterhielt sich aber hauptsächlich mit seinem Schnaps. Ihm gegenüber kraulte Tischfußball-Kurt seine beiden Dackel, flankiert von einem Intellektuellen mit grauem Rauschebart und einem Zimmermann auf Wanderschaft, der seinen Mund nur für einen gelegentlichen Rülpser öffnete. Maria hatte ein waches Auge auf den Koloss am Stammtisch, während im Hintergrund die drei Penner Skat kloppten; das knutschende Pärchen und der Dicke mit der Limo hatten sich nicht von der Stelle gerührt. Die Teller mit den Pommes frites wurden mit atemberaubender Geschwindigkeit geleert.
    Was sich genau auf dem Bergfriedhof abgespielt hatte, hatte ich meinen Zuhörern verschwiegen. Es genügte, wenn sie wussten, dass mich ein namenloser Geldprotz erst beauftragt und dann in die Wüste geschickt hatte – was meinen Glauben an die Menschheit derart erschüttert hatte, dass ich mich mit zwei Fahrrädern gleichzeitig vom Schlossberg hinunter in die Stadt gestürzt hatte. Nachfragen wehrte ich ab. Tut mir leid, Leute, die Sache ist heikel. Ihr wisst ja, als Privatdetektiv ... Man kommt da mit unschönen Dingen in Kontakt. Ja, das verstanden sie im Englischen Jäger .
    »Okay, Herbert«, sagte ich kurz darauf und kippte meinen König mit dem Zeigefinger um. »Das wars.« Soeben verließ Jessicas Großmutter die Kneipe, nicht ohne mir einen drohenden Blick zuzuwerfen.
    »Ach, komm«, machte Herbert enttäuscht. »Schon aufgeben? Schau dir mal deinen Turm da an. Und die zwei Bauern.« Wollte mich noch ein wenig zappeln lassen, der einarmige Bandit.
    »Vergiss es. Bin heute nicht bei der Sache. Außerdem brauche ich eine Auskunft von euch.« Ich winkte Maria heran, um ihr und den anderen meinen Auftraggeber so ausführlich wie möglich zu schildern. Beschrieb sein Auftreten, seine Kleidung, seine Stimme und natürlich seinen Wagen. Ahmte seine Haltung nach, seinen Gang, seine Gesten.
    »Und? Habt ihr eine Idee, wer das sein könnte?«
    »Nee«, sagte Herbert.
    »Könnte jeder sein«, rief Tischfußball-Kurt. »In Neuenheim jeder.«
    »Aber nicht jeder fährt so einen Wagen. Absolut auffällig, die Karre.«
    Einhelliges Achselzucken. Kopfschütteln.
    »Überlegt doch mal: so ein satter Rentner, könnte hier um die Ecke wohnen. Ehemaliger Großverdiener, Expolitiker, Manager, Ehrendoktor ... na, dämmert euch was?«
    Nichts dämmerte. Auch Maria schüttelte den Kopf. »No«, sagte sie. »Nie gesehe, Max.«
    »Moment«, sagte der Intellektuelle mit dem Rauschebart. Er hört auf den schönen Namen Leander und ist allgemeiner Einschätzung nach zu gut für diese Welt. »Moment.« Dann schwieg er.
    »Wie, Moment?«, fragte ich.
    Er sah mich aus wasserblauen Augen an. Sagte aber keinen Ton.
    »Was ist? Kennst du den?«
    »Ich überlege«, antwortete er würdevoll.
    Herbert machte eine abwehrende Geste und trank sein Bier aus. Ich blickte Leander auffordernd an. Er behauptete zu überlegen, sah aber nicht danach aus. Sah eher aus, als durchforste er die Mundhöhle mit der Zungenspitze nach Pommesresten.
    »Ich bin ganz Ohr«, meinte ich. Immer freundlich.
    Er nickte. Dann kniff er die Augen zusammen und fragte: »Wie, sagtest du, heißt dein Mann?«
    »Welcher Mann? Der, den ich suche?«
    »Ja.«
    »Ich weiß nicht, wie er heißt. Das versuche ich gerade herauszufinden.«
    »Ach so. Verstehe.«
    Jetzt schwiegen wir beide. Er musterte mein lädiertes Auge.
    »Aber hast du nicht eben ...?«, begann er, sah sich hilfesuchend am Tisch um und schnappte nach Luft. »Hast du nicht ... geht es nicht um diesen Professor?«
    »Was für ein Professor?«
    »Na, dieser Soziologie ...«
    »Soziologieprofessor? Ein Soziologe?«
    »Nein, ein ... ein Professor der Soziologie, der ...«
    »Der was?«
    »Nicht so hektisch, Max«, warf Tischfußball-Kurt ein und hob einen seiner Dackel auf den Schoß, um ihn abzuknutschen.
    »Ja, schon gut. Also, Leander, was für ein Professor?«
    »Der mit dieser Villa oben am Philosophenweg ... diese schöne Villa ... mit der schönen Frau drin ...«
    »Ach, der«, sagte Herbert.

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