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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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»Fehlalarm, den kenne ich. So’n Männchen mit Halbglatze. Keine ein Meter 60 hoch.«
    Leander fing an zu zittern. »Aber seine Frau, eine schöne Frau ist das. Und in der Garage ein Boot, das weiß ich genau.«
    »Ja«, sagte Herbert.
    »Ein schönes Boot ...«
    »Schon gut«, meinte ich.
    »Damit fährt er jedes Jahr nach Irland, an die Westküste, um zu diesen Inseln im Atlantik, diesen ... diesen schönen Inseln ..., und zwar mit seinem Boot ...« Leanders helle Stimme kippte ins Schrille, als er den längsten Satz, den er an diesem Abend begonnen hatte, nicht zu Ende brachte.
    »Jaja«, nickten wir und tätschelten beruhigend seine Hand.
    »Seine Frau ist auch dabei«, sagte er abschließend und hatte den Satz also doch noch fast zu Ende gebracht.
    »1,58«, murmelte Herbert. »Höchstens.«
    »Tut mer leid«, sagte Maria. »Kenn den Mann net.«
    Dann ließ Tischfußball-Kurt plötzlich eine Faust auf den Tisch krachen, dass der Dackel auf seinem Schoß jaulend das Weite suchte.
    »Verdammt, ich habs«, rief er. »Du musst den Schorsch fragen, Max.«
    »Schorsch? Welchen Schorsch?«
    »Welchen Schorsch?« Er sah mich an, als hätte ich ihn gefragt, wo sich die Öffnung einer Bierflasche befindet. »Den Ungarn natürlich!«
    »Er meint György«, erklärte Herbert. »Den Rennfahrer.«
    »Ja, verdammt, dann halt György, elender Besserwisser!«
    »Ach so, György«, sagte ich. »Der Ungar.«
    »Sag ich doch die ganze Zeit. Beziehungsweise der Sohn vom Schorsch.« Er fuchtelte mir mit dem Zeigefinger vor den Augen herum. »Schorschs Kleiner, der Dings, na, wie heißt der Depp gleich?«
    »Ah, Francesco«, half Maria. Sie warf einen Blick auf die fast blinde Uhr über dem Durchgang zur Küche. »Sì, sì, komme gleich her. Le due. Giorgio e Francesco.«
    Dann eben Giorgio e Francesco. Oder Schorsch und Franz. Je nachdem, ob man wie Maria aus Piazza Armerina stammt oder wie Kurt aus Ilvesheim. Im Prinzip sprechen sie alle die gleiche Sprache.
    »György«, wiederholte ich. »Das ist doch dieser Typ, der schon ewig hier lebt, nicht wahr? So ein Kurzer, Zappeliger?« Ich kannte den Mann nur flüchtig. Kleine Kanonenkugel nannten sie ihn im Englischen Jäger .
    »Und ein Schwätzer vor dem Herrn«, nickte Tischfußball-Kurt. »Wenn alle Ungarn so sind, will ich da nie hin. 1956 hat er rübergemacht.«
    »In den goldenen Westen«, brummte Herbert und verdrehte die Augen.
    »Richtig, in den goldenen Westen, und seitdem sitzt er da und quatscht dich voll.«
    »Und sein Sohn?«
    »Der Franz?« Kurt zündete sich eine Zigarette an. »Also, der Franz ist ein Depp. Volldepp.«
    »Was heißt das, ein Depp?«
    »Na, wie würdest du das nennen, wenn einer ein bisschen gaga ist? Leicht gestört, plemplem, ein Idiot eben.«
    »Ein Depp«, nickte Herbert.
    »Aber völlig fanatisch, was Autos angeht«, ergänzte Kurt.
    »Ach so. Jetzt kapiere ich.«
    »Der Junge kennt jeden Wagen in Heidelberg«, sagte Kurt begeistert und aschte versehentlich in Herberts Bier. »Und wenn ich sage jeden, dann meine ich jeden. Der leiert dir die Seriennummern aller Neuzulassungen runter. Ohne Punkt und Komma. Ein Depp, aber ein Zahlenwunder. Max, der verrät dir, wo dein BMW steht, bevor du piep sagst. Und den Kilometerstand gleich dazu.« Seine beiden Dackel kläfften zustimmend. Er nennt sie Coppick und Hansen, nach zwei berühmten Gladbach-Spielern aus den 70ern, wie er behauptet. Komisch; hießen die nicht Köppel und Jansen? Egal. Jedenfalls verdankte ich Kurt den Tipp mit György und seinem Sohn.
    Gut, dann hieß es also nur noch warten. Gedankenverloren schaute ich Coppick und Hansen zu und betastete mein schmerzendes Veilchen. Vielleicht war ein Depp aus Ungarn der erste Hauptgewinn in diesem Spiel.
    Es wurde allmählich auch Zeit.
     
     

11
    Bevor ich mich aufmachte, den Sonntagnachmittag im Englischen Jäger zu verbringen, hatte ich meinen Freund Marc Covet angerufen. Für einen Lokaljournalisten wie ihn musste die Identifizierung meines anonymen Auftraggebers doch ein Klacks sein.
    Dem Journalismus widmet Marc allerdings nur die eine Hälfte seiner Aufmerksamkeit, die andere gilt dem Trinken. In beiden Arbeitsgebieten ist er zu Höchstleistungen fähig, bewundert von Chefredakteuren und Kneipiers, gefürchtet von der Konkurrenz. Es hat schon viele gegeben, die ihn aus der Redaktion schreiben oder unter den Tisch saufen wollten und grandios scheiterten.
    Außerdem, was heißt das schon: trinken? Es gibt so viele verschiedene

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