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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Handtasche. Und zweitens?«
    »Zweitens: Er hatte mal wieder eine Mieze bei sich. Die den Sturz ebensowenig überlebte. Seine Frau dachte, er sei alleine unterwegs gewesen.«
    »Wie haben die Familien darauf reagiert?«
    »Was weiß ich? Es war halt wieder mal ein Skandal, der letzte, den Dietrich auslöste. Ein Gemisch aus Peinlichkeit und Entsetzen; sein Vater wird mehr getobt als getrauert haben.«
    Das konnte ich mir lebhaft vorstellen. »Und wie genau passierte der Unfall? Ist Bünting einfach so von der Straße abgekommen?«
    Sie zuckte die Achseln und aß weiter. »Du fragst Sachen«, sagte sie mit vollem Mund. »Ich weiß nur, dass er viel zu schnell fuhr. Dafür gab es Zeugen. Wäre ja nicht das erste Mal gewesen. Aber den Unfall selbst hat anscheinend niemand beobachtet.«
    »Und seine Frau? Wie erging es der? Hat sie geerbt? Wie war das Verhältnis zum Schwiegervater? Und wo wohnt sie jetzt?«
    Christine schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, keine Ahnung, keine Ahnung. Ich denke mir, da gab es kein ›Verhältnis‹, das diese Bezeichnung verdient hätte. Spätestens seit dem Zeitpunkt nicht mehr. Aber wissen tue ich das nicht. Ich kann dir auch nicht sagen, was aus ihr und dem Sohn geworden ist. Fort, verschütt, vergessen.«
    »Und der alte Bünting geht aus all diesen Stürmen heil und unbeschadet hervor«, brummte ich, eher für mich, als für sie bestimmt. »Ein echter Seewolf ... Dietrichs Sohn, den Enkel des Alten, habe ich aufgetrieben. Er studiert jetzt in Heidelberg, unter den Augen seines Großvaters. Und den notwendigen Schliff seiner Sekundärtugenden holt er sich bei der Burschenschaft Rheno-Nicaria .«
    »Ach, er ist dein wertvoller Zeuge, den du vor Moskaus fünfter Kolonne bewahrt hast?«
    »Genau. Ob er wirklich wertvoll ist, weiß ich nicht. Er scheint genauso die familiären Daumenschrauben zu spüren wie sein seliger Vater. Was zieht der Idiot auch bei dem Alten ein?«
    »Die Erotik der Macht.«
    »Vielleicht. Jedenfalls vielen Dank für die Informationen. Ich weiß noch nicht wie, aber ich glaube, du hast mich ein gutes Stück weitergebracht.«
    »Oh, gern geschehen«, sagte sie spitz. »Chefsekretärin wollte ich immer schon werden.«
    Natürlich, Beruf und Privatsphäre soll man auseinanderhalten. Aber sie hatte mir wirklich geholfen, das Bild der Familie Bünting zu vervollständigen. Ganz im Gegensatz zu Marc Covet mit seinen mageren Informationen. Der konnte was erleben, dieser abgehalfterte Thekenjournalist!
     
     

26
     
    Aber auch mit meinem Freund Fatty war kein Staat zu machen.
    Das musste ich am nächsten Vormittag feststellen, den ich damit zubrachte, meine Wunden zu kühlen und meine angeschlagenen Rennmaschinen zu reparieren. Beides erledigte ich im Hinterhof; rechts von mir lag mein Fahrradwerkzeug, links ein Plastikeimer mit Eis aus dem Kühlfach. Narben und Verletzungen, Schrammen und Beulen, wo man auch hinsah.
    Schon immer hegte ich den Verdacht, dass der Kindergärtner und Minifahrer Friedhelm Sawatzki zu gut für diese Welt ist. Um einen Verdächtigen zu beschatten, ist er eindeutig nicht gut genug. Er hatte meinen Zettel erhalten; er hatte sich an Büntings Fersen geheftet; er hatte sich bemüht, und er hatte versagt. Zweimal war ihm Bünting entwischt: das erste Mal, als eine Ampel auf Rot schaltete, und das zweite Mal, als ihn seine Korpulenz an der Verfolgung hinderte. So formulierte er es natürlich nicht. Er brummelte etwas von unglücklichen Umständen und unvorhersehbaren Engpässen, die sein Fortkommen beeinträchtigt hätten. Ich sagte, er sei ein Anfänger und solle jetzt gefälligst Bericht erstatten. Von Anfang an und mit allen Details. Dass er mir derart den Feiertag versauen musste!
    Mein dicker Freund seufzte und fuhr sich zerknirscht durch die Haare.
    »Mensch, Fatty, du bist mir schon ’ne Nummer«, sagte ich.
    »Wenn ichs dir erkläre, wirst du einsehen, dass es reines Pech war. Eine Verflechtung unseliger ... unsäglicher Pechsträhnen.«
    »Schieß los mit deiner Beichte. Und gib mir mal das Vulkanisierzeug.«
    »Also ...« Fatty wischte sich die Stirn. Nachdem es wieder nicht geregnet hatte, war es sogar in meinem schattigen Hof schwülwarm. »Also, es fing alles vielversprechend an ...«
    Und er erzählte.
    Der vielversprechende Anfang bestand darin, dass er am gestrigen Nachmittag mit einer prall gefüllten Tüte seines Lieblingsgetränks – »Sonderangebot bei Aldi«, strahlte er – nach Hause kam und dort meine Nachricht vorfand. Als

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