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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hätte er den Beschattungsauftrag vorausgeahnt. Während ich mich auf dem Bergfriedhof herumtrieb, machte er sich folgsam zu Büntings Villa auf, den Kopf voller Vorfreude und das Handschuhfach voller Cola-Light-Dosen. So weit, so gut. Dann hieß es erst einmal warten. Der Alte schien zu Hause, ließ sich aber nicht blicken. Fatty hatte seinen Mini möglichst weit oben im Auweg geparkt, ungefähr an der Stelle, an der ich über das Gitter geklettert war. Von dort konnte er durch die Bäume einen kleinen Teil des Gartens überblicken, und so sah er, genau wie ich am Abend zuvor, die beiden Frauen bei ihrer Runde durchs Grüne. Wenn Fatty von der jungen Ukrainerin erzählte, geriet er ins Schwärmen. Diese Frau! Dieser Typ! So was Drahtiges, Rassiges! Diese Katzenaugen! Dieser Blick!
    »Was hat sie gemacht?«
    »Was sie gemacht hat? Nichts. Sie lief durch den Garten, schaute in die Sonne und war einfach da. Da und schön.«
    »Hat sie den Rollstuhl nicht geschoben?«
    »Doch, doch. Hat sie. Erst in den Garten, dann wieder raus. Und zwischendrin stand sie einfach da, zur Ergötzung des Betrachters.« Ein seliges Lächeln huschte über sein rosiges Gesicht. »Vielleicht ahnte sie ja, dass sie beobachtet wurde.«
    »Bist du wahnsinnig, Fatty? Du solltest im Hintergrund bleiben.«
    »Jaja«, sagte er hastig. »Ich meinte doch nur ...«
    »Erzähl weiter.«
    Dann Auftritt Hanjo Bünting. Er holt seinen BMW aus der Garage – jetzt, da er entlarvt ist, kann er ihn wieder benutzen – und fährt los mit unbekanntem Ziel. Fatty würgt vor Aufregung dreimal den Motor ab, schafft es aber, sich hinter die Nobelkarosse zu hängen. Von Neuenheim aus geht es südlich über den Neckar, in die Weststadt, wo Bünting vor einer Bank hält. Fatty parkt 50 Meter weiter, eilt zurück und kiebitzt durch die großen Glasscheiben, zwischen den Werbetafeln hindurch, in das Innere des Schalterraumes. Er sieht gerade noch, wie Bünting von einem Angestellten nach hinten geführt wird. Dann dauert es über 20 Minuten, bis der Alte zurückkehrt. Fatty wartet und schwitzt und vertilgt die Hälfte seines Getränkeproviants. Fortsetzung des Spielchens.
    Bünting fährt nicht etwa in die Stadt zurück, sondern weiter Richtung Süden. Wohin genau, konnte mir Fatty nicht sagen, denn in Rohrbach kam es zu dem Missgeschick mit der Ampel. Eine einzige verpasste Grünphase kurz vor der Kreuzung am Markt, und schon sind BMW und Fahrer verschwunden. Welchen Weg sie genommen haben, ob nach Leimen, in die Rohrbacher Altstadt, Richtung Ami-Kasernen oder zurück ins Zentrum – großes Fragezeichen. Sobald die Ampel wieder auf Grün schaltet, rast Fatty (na ja, er besitzt einen Mini) nach Süden, kehrt in Leimen um und fährt sämtliche Sträßchen Rohrbachs ab. Ohne Erfolg. Eine Weile überlegt er zerknirscht, wie er seinen Fehler bereinigen könne, dann kehrt er zu seinem Beobachterposten im Oberen Auweg zurück.
    »Immerhin«, meinte ich. »Du hast das Haus wiedergefunden.«
    »Blödmann.«
    Vor der Villa sitzt Büntings Frau in der Sonne und schläft. Aus dem geöffneten Küchenfenster dringt Schlagermusik. Zumindest glaubt Fatty, dass es sich um das Fenster zur Küche handelt, denn von drinnen ist Geschirrklappern zu hören. Wieder muss er warten, diesmal mit dem schlechten Gefühl, seine erste Chance vertan und fast sämtliche Cola-Dosen geleert zu haben. Eine Stunde später, es ist gegen vier, trifft jemand ein, allerdings nicht Bünting. Irgend so ein Fettklops mit Halbglatze – es hört sich immer sehr komisch an, wenn Fatty herablassend über dicke Menschen spricht –, der seinen Wagen vor der kurzen Auffahrt zur Villa abstellt, aussteigt und wartet. Genau wie Fatty. Das findet dieser seltsam. Zunächst. Nach einer Weile findet er es sogar verdächtig. Der Mann klingelt nicht, macht sich auch sonst auf keine Weise bemerkbar, sondern lehnt sich an den Gitterzaun, raucht und liest eine Zeitung. So verrinnt die Zeit.
    »Das Vorderrad kannst du vergessen«, sagte Fatty unvermittelt und zeigte mit einem Schraubenzieher auf die Speichen des Rennrads. »Das kriegst du nicht mehr hin.«
    »Natürlich krieg ich das hin«, knurrte ich.
    »An deiner Stelle würde ich ...«
    »Stopp!«, rief ich. »Nichts anfassen! Keine falschen Bewegungen, keine falschen Ratschläge. Ich weiß, dass ich zwei linke Hände habe, aber da muss ich durch. Und du fährst jetzt gefälligst fort mit deiner Geschichte. Es wurde gerade spannend.«
    »Nicht wahr«, freute sich Fatty.

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