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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Ich konnte gar nicht anders als warten. Weil, es war alles so eng ... ich hätte überhaupt nicht ...«
    »Du hättest überhaupt nicht an den anderen Kunden vorbei gepasst«, beendete ich den Satz ernst. »Fatty, Fatty, es ist alles meine Schuld. Warum habe ich dir auch das Gäbelchen Aubergine am Samstagabend aufgedrängt, gegen deinen erklärten Willen? Das hätte ich niemals tun dürfen, es reduziert deine Supermarktkassentauglichkeit. Wie unverantwortlich von mir.«
    »Blödmann«, sagte er gekränkt. »Bitte du mich noch einmal um einen Gefallen.«
    Ich lachte und gab ihm einen Klaps gegen die mollige Schulter. »Mensch, Junge, du bist wirklich nicht abgefeimt genug für solche Jagden. Aber weißt du was? Das spricht für dich. Außerdem war das ein toller Bericht, ehrlich. Mal sehen, vielleicht ist dieser Schafstett eine heiße Spur. Und welche Haushaltswaren sich Bünting zugelegt hat, um über den Feiertag zu kommen, interessiert keinen. Wahrscheinlich eine Batterie für die Fernbedienung. Meinst du, du könntest dich heute noch einmal an seine Fersen heften?«
    »Ehrlich? Bist du sicher?«
    »Ganz sicher. Du wirst mir noch mehr brauchbare Informationen bringen, da wette ich drauf. Unter einer Bedingung allerdings«, setzte ich hinzu.
    »Und die wäre?«
    »Dass ich weder für deinen Cola-Konsum noch für deine Alibikäufe aufkommen muss.«
    »Ach, das«, winkte er erleichtert ab. »Das waren die billigsten Kassetten des ganzen Ladens.«
    »Gut. Dann hätte ich nur noch eine Frage.«
    »Ja?«
    »Wo hast du mein Rennrad aufgetrieben?«
    »Dein Rennrad? Ich habe doch nichts mit deinem Rennrad gemacht. Ich wollte dich fragen, wo du es gefunden hast.«
    »Du hast es nicht vor mein Haus gestellt?«
    »Aber nein, Gott bewahre!«
    »Dann«, sagte ich und klopfte ratlos mit einem Schraubenschlüssel gegen die Speichen, »dann frage ich mich wirklich, wer dieser hilfreiche Geist war.«
     
     

27
    Okraschoten zum Beispiel.
    Draußen grollte der Donner in einem fort, aber es fiel ums Verrecken kein Regen. Die Hitze würde sich wohl noch Wochen in dieser elenden Stadt stauen, in diesem engen Talkessel mit seiner seifigen Schwüle.
    Christine schob ihren Teller beiseite. Ich tunkte Brot in die Soße.
    Okraschoten, wie gesagt. Schmale Pentaeder, grüne Lanzen, die scharf angebraten werden und sich nach längerem Köcheln sanft zwischen Zunge und Gaumen zerdrücken lassen; die das milde Aroma von Hülsenfrüchten mit der Konsistenz gebackener Bananen verbinden. Für solche Delikatessen könnte ich sterben.
    Christine hasst Okraschoten.
    Vielleicht hatte ich sie genau deswegen bestellt, vielleicht aber auch nur, weil Olli dazu seine legendäre Tomatensoße mit ganzen Knoblauchzehen serviert, vielleicht auch ... ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass ich imstande bin, komplette Vorträge über das blöde Gemüse zu halten, während Christine schlicht und einfach keine Okras mag.
    Und zwar ist es die Konsistenz, die ihr den Genuss verleidet. Wenn ich ein Geschmacksmensch bin, ist Christine ein Gefühlsmensch – im Sinne des Anfühlens, Befühlens, des Haptischen eben. Sie hasst das weiche Innere der Schoten, das sie als schleimig empfindet, sie hasst es, wenn es warm aus der Schale quillt oder wenn sich die Schote gar erdreistet, in ihrem Mund aufzuplatzen. Christine liebt das Feste und Flüssige, das Harte und Sanfte, aber nicht das Quabbelige, Gummi- oder Gallertartige. Unsere Diskussionen über dieses Thema sind Legion. Mittlerweile glaube ich, dass die Okras und all ihre Verwandten wesentlich zu unserer Trennung beigetragen haben. Nicht im Sinne einer Hauptursache, sondern als Auslöser oder als Beschleuniger. Ich weiß, dass das komisch klingt, aber wer einmal erlebt hat, welche bitteren Auseinandersetzungen sich an einem nicht geleerten, enttäuscht zur Seite geschobenen Teller entzünden können, wird mir zustimmen. Noch nie habe ich so viel und leidenschaftlich gekocht, wie seit dem Zeitpunkt, da wir uns getrennt haben.
    Wieder das Grollen des Donners. Kein Blitz zu sehen, keine Hoffnung auf Entladung. Im Inneren des Restaurants dagegen ...
    Wir hatten eine Weile geschwiegen, mit uns selbst und dem Essen beschäftigt. Und nun war es so weit. Unausweichlich näherten wir uns dem Punkt, an dem sie über uns reden wollte. Ich spürte es, wie man eine Gefahr spürt und nahenden Kopfschmerz oder die nagende Angst im Gegenüber. Wusste, dass sie bald Messer und Gabel zur Seite legen, den Blick an mir vorbei durch das Lokal

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