Bergisch Samba
in so einer Hütte zu leben, ist nicht ganz einfach.«
Lisa Michel ging in die Küche nebenan. »Das glauben Sie! Sie haben ihn nicht gekannt. Er war ein Versager, nichts weiter. Ein Phantast. Wer weiß - vielleicht ist die Krankheit meiner Schwester sogar seine Schuld.«
»War sie denn schon so, als er noch mit ihr verheiratet war?«
Sie kam mit einem breiten Glas wieder, in dem eine Flüssigkeit bernsteinfarben leuchtete.
»Ein bisschen. Aber wir haben es nicht so sehr gemerkt, weil er sie völlig von uns fern gehalten hat. Möchten Sie auch was trinken?«
»Nein danke. Was heißt ›von uns‹?«
»Von ihrer Familie. Von mir und unserem Vater.«
»Wann war die Scheidung von Jonas und Vanessa?«
»Vor knapp sechs Jahren. Seitdem haben sie sich auch nicht mehr gesehen.«
»Sind Sie sicher?«
»Vollkommen. Vanessa lebte die ganze Zeit bei mir.«
»Wissen Sie, wo sie am Abend des 25. April 2003 war?«
»Auch bei mir. Wie jeden Abend. Ich kümmere mich um meine Schwester. Rund um die Uhr.«
»Nur heute Nachmittag nicht.«
»Wenn Sie es genau wissen wollen: Vier Stunden morgens bin ich auch nicht da. Ich arbeite halbtags in einem Fitnessstudio.«
»Können Sie mir vielleicht einen Hinweis über gemeinsame Bekannte geben?«, machte ich einen neuen Vorstoß. »Gibt es irgendeine Verbindung zu Portugal?«
Lisa Michel schüttelte den Kopf und trank auf einen Rutsch ihr Glas aus. »Ich habe mich nie um Jonas gekümmert. Und das Thema ist auch vorbei.«
»Wissen Sie etwas darüber, ob er sich für einen bestimmten Wald interessiert hat?«
»Was meinen Sie damit? Der Typ wollte doch nur im Wald leben. Welcher, war ihm egal. Hauptsache Wald.«
»Es soll einen Wald im Bergischen Land geben, der die Form eines Hakenkreuzes hat«, sagte ich.
Sie wandte den Kopf. »Was?«
»Angeblich hat sich Ihr Schwager dafür interessiert.«
»Woher wissen Sie das denn?«
»Ich weiß es eben. Aber was wissen Sie?«
»Die Geschichte klingt, als sei sie aus Vanessas eigenartigen Büchern.«
»Was für Bücher?«, fragte ich, obwohl ich die Titel oben gesehen hatte.
»Esoterik-Zeug. Kornkreise. Hohlwelt-Theorien. Jesus war ein Außerirdischer. Dieser Kram. Vanessa liest so was, und ich lasse sie.«
»Hat Ihr Schwager so was auch gelesen?«
»Kann sein.«
Ich griff in die Tasche und holte den Zettel mit der Zeichnung hervor. »Sagt Ihnen das hier etwas?«, fragte ich und hielt ihr die Umrandung vor die Nase.
»Was ist das?«
»Ich weiß es nicht. Es ist ein Indiz, auf das ich bei meinen Ermittlungen gestoßen bin.«
Ich betrachtete die Linien genauer. Die Form wirkte wie eine Hand mit drei aufgerichteten Fingern. Wie die Hand eines Außerirdischen. Oder war es eine Pflanze?
Lisa Michel kam näher und tippte auf das Papier. »Das sieht ein bisschen aus wie die Aggertalsperre. Die hat doch auch drei Ausläufer - so kleine Buchten. Waren Sie da schon mal?«
»Nein.«
»Sollten Sie mal hinfahren. Vor allem im Sommer ist da viel los.« Sie stellte das Glas auf den Wohnzimmertisch. »Und rund herum ist jede Menge Wald. Da treffen Sie bestimmt einen ganzen Haufen so verkrachter Typen wie Jonas.«
»Dieses Blatt stammt von Ihrer Schwester«, sagte ich. »Sie hat mir das aufgemalt, als ich sie nach dem Hakenkreuzwald gefragt habe.«
Lisa Michel wirkte ehrlich erstaunt. »Das erfinden Sie doch. Hören Sie auf, meine Schwester in diese Sache reinzuziehen.«
»Wir können Ihre Schwester noch einmal danach fragen. Lassen Sie uns hinaufgehen.«
Ihr Blick wurde eng und abweisend. »Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich schlage vor, Sie gehen jetzt. Und nehmen Sie das hier mit.« Sie reichte mir meine Pistole.
Lisa Michel knallte sofort die Tür zu, nachdem ich das Haus verlassen hatte. Als ich in den BMW einstieg, fiel mein Blick auf ein Fenster in der oberen Etage. Das Zimmer war nicht beleuchtet, und ich konnte die Person, die da hinter der Scheibe stand, nicht richtig erkennen. Ich war aber sicher, dass es Vanessa Michel war, die zu mir herunterstarrte.
»Es ist tatsächlich die Aggertalsperre«, sagte Jutta und hielt den Zettel neben den Autoatlas, der aufgeschlagen auf dem Küchentisch lag.
Vor uns standen Teller mit dampfender Tomatensuppe. Offenbar hatte Jutta für die ganze Woche vorgekocht.
»Du weißt doch, dass ich so wenig Lust auf diesen Küchenkram habe«, sagte sie und stellte den Brotkorb auf den Tisch. »Und jetzt iss, bevor es kalt wird. Das heißt - ich will natürlich wissen, was du rausgekriegt hast.
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