Bergisch Samba
Gesicht.
»Welches?«
»Das Gut war nicht bei Gummersbach und auch nicht in der Nähe der Aggertalsperre, sondern in Waldbröl.«
»Das sind immerhin an die zwanzig Kilometer südlich, schätze ich. Vielleicht hat sich Vanessa Michel geirrt?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich werde das rauskriegen. Eins ist nämlich sicher.«
»Was?«
»Solche Hakenkreuzwälder gibt es.«
»Tatsächlich?«
Jutta nickte und tippte auf der Tastatur herum. »Ich brauchte nur das Wort Hakenkreuzwald in die Suchmaschine einzugeben, da kam schon ein Bericht über so einen Wald. Allerdings liegt er nicht im Bergischen Land, sondern in Brandenburg. Irgendwo in der Uckermark. Der Ort heißt Zernikow.«
»Und der Wald hat tatsächlich die DDR überlebt?«
»Allerdings. Er ist 1938 gepflanzt worden. Erst im Jahr 2000 hat man die Bäume gefällt. Das Muster war nur aus der Luft zu erkennen. Schau mal.«
Sie drehte das Notebook herum, und ich konnte ein grünes Quadrat erkennen - ein Waldstück von oben. Manche Baumspitzen besaßen ein helleres Grün als die anderen. Und dieses helle Grün bildete tatsächlich ein Hakenkreuz.
»Ich hab mir das ganz anders vorgestellt«, sagte ich. »Ich hatte gedacht, die Bäume würden frei stehen. Sie sind aber Teil eines größeren Waldes.«
Jutta nickte. »Wenn das bei unserem Wald auch so ist, weißt du, warum du ihn auf keiner Karte findest.«
»Und das ist auch der Grund, warum er ganz allgemein so schwer aufzuspüren ist.« Ich überflog den Text. Es war ein Zeitungsbericht über die bevorstehende Abholzung. »Das Kreuz besteht aus Lärchen, die in einem Kiefernwald stehen«, sagte ich. »Komisch. Ich hätte eher erwartet, so ein richtiger Nazi pflanzt sein Hakenkreuz aus echten deutschen Eichen. Warum die Lärchen genommen haben, steht hier nicht.«
»Egal«, sagte Jutta. »Ich denke, wir sollten der Sache nachgehen. Stell dir mal vor, wir finden diesen Wald. Das wäre doch eine Sensation.«
»Sicher.« Ich zog eine Zigarette hervor und bemühte mich, die klotzige Schrift »RAUCHEN KANN TÖDLICH SEIN« zu ignorieren. »Aber ich frage dich noch mal: Warum interessiert uns das? Was hat es mit dem Fall zu tun?«
»Leg dich doch nicht so fest. Mal sehen, wo der Wald ist, und vor allem - mal sehen, was in dem Wald ist. Wer weiß, was irgendwelche Neonazis oder übrig gebliebene Altnazis da veranstalten? Das sind doch alles Esoteriker. Vielleicht haben sie an der Stelle, wo sich die Balken kreuzen, eine Art Kultstätte oder so was.«
»Das kleine Mädchen ist aber nicht in einem Wald umgekommen«, wandte ich ein. »Außerdem: Wie willst du den Wald finden?«
Jutta klappte ihr Notebook zu und grinste. »Das lass mal meine Sorge sein. Ich habe da schon so eine Idee …«
12. Kapitel
Nach dem Laurel-und-Hardy-Film hatten wir noch ein bisschen was getrunken, und gegen elf war ich das kurze Stück zu mir ins Tal runtergefahren. Im Faxgerät lag die Liste von Zichorius, ein sauber ausgedrucktes Blatt mit Adressen und Daten von vier Bauprojekten. Die Baustellen befanden sich allesamt im Großraum Düsseldorf-Köln-Bonn. Ein portugiesisch klingender Name war nicht dabei.
Die Daten umfassten die Zeit von 1998 bis 2002. Ratnik hatte tatsächlich ziemlich selten in der Zimmerei gearbeitet. War er wirklich mit so wenig Geld ausgekommen? Oder hatte er noch eine andere Einkommensquelle gehabt?
Am nächsten Morgen beschloss ich, die Bauherren einzeln aufzusuchen. Das konnte zwar zu ziemlich zeitraubendem Klinkenputzen ausarten, aber Frau Weitershagen hatte mich ja ausdrücklich gebeten, jeder Spur nachzugehen. Apropos. Ich sah auf die Uhr. Es war halb neun. Genau die richtige Zeit, um meine Auftraggeberin anzurufen und ihr Bericht zu erstatten.
»Sehr mysteriös«, sagte sie, als ich ihr von dem Besuch bei Vanessa Michel erzählt hatte. »Und Sie glauben wirklich nicht, dass sie etwas mit der Sache zu tun hat?«
»Ich kann mir keinen Reim darauf machen, Frau Weitershagen. Und vorher würde ich lieber noch weitere Fakten sammeln.«
Ich sagte ihr, dass ich anhand von Zichorius' Liste nach Kontakten von Jonas Ratnik suchen wollte. »Das ist die einzige Chance, herauszufinden, wo er diese Frau kennen gelernt hat. Und die ist in der ganzen Geschichte bisher noch ein völlig unbeschriebenes Blatt.«
»Sie ist immerhin die Mutter, deren Kind umkam«, stellte Frau Weitershagen fest.
»Es ist wahrscheinlich, muss aber nicht sein«, sagte ich. »Auf jeden Fall müssen wir so viel wie möglich über diese Frau
Weitere Kostenlose Bücher