Bergwasser: Ein Schweiz-Krimi (German Edition)
schlossen. Und den Vibrationsalarm in der hinteren Hosentasche.
Sandro seufzte. Sie wandte sich ab und schaute aufs Display. Die Nummer war ihr unbekannt. Sie nahm den Anruf an.
»Hier ist Luzia. Die Schwester von Gianni.«
»Ja?«
»Ich habe nochmals mit meinem Bruder gesprochen. Ich habe nicht alles verstanden. Offenbar hat er beobachtet, wie die Frau, die sie gefunden haben, mit vier Männern in den Tunnel gegangen ist. Und einen hat er wiedererkannt.«
»Wirklich?«
»Er hat gesagt, es sei der Mann, bei dem Sie jeweils die Nacht verbringen.«
»Wie bitte?« Julia schaute kurz zu Sandro, dann wandte sie sich ab. Sie dachte an die zweite Botschaft, das war, nachdem Sandro das erste Mal bei ihr gewesen war, und an die dritte, da hatten sie hinter dem Schuppen … Ihr wurde schwindlig. Sie wollte weglaufen, doch sie musste sich setzen.
»Hallo, sind Sie noch da? Aber wie gesagt, ich weiß nicht, ob er sich das alles nur vorstellt. Anscheinend hat er …« Sie machte eine Pause. »Er hat Sie beobachtet, weil Sie ihm gefallen. Er wollte Sie nur beschützen. Vielleicht ist er jetzt auch nur eifersüchtig und möchte Ihren Liebhaber anschwärzen.«
»Vielleicht.«
»Ich wollte Ihnen das nur sagen.«
»Herzlichen Dank, dass Sie mich angerufen haben.« Julia drückte den Anruf weg und steckte das Handy zurück in ihre Hosentasche.
»Wer war das?«, fragte Sandro.
»Wie? Ach, eine Bekannte.«
»Schlechte Nachrichten?«
»Wie man’s nimmt.« Am liebsten wäre sie gegangen, um in Ruhe nachzudenken. Aber sie konnte nicht einfach wieder gehen. Jetzt, wo sie gekommen war, um sich zu entschuldigen. Sandro ein Mörder? War das nicht eher das Hirngespinst eines eifersüchtigen jungen Mannes, der nicht alle Tassen im Schrank hatte? Sie hätte gerne mit jemandem gesprochen. Jemand, der sie kannte, der sie verstand. Jan. Aber das war wohl keine gute Idee.
»Hey! Schau mich mal an.« Er hob ihr Kinn nach oben, gab ihr einen Kuss. »Du siehst müde aus. Möchtest du schlafen?«
Julia nickte.
»Ich muss morgen früh raus«, sagte er entschuldigend.
»Schon gut.« Sie stand auf, gab ihm einen Kuss auf die Wange, ging zur Tür. Sie hatte bereits die Hand auf der Türklinke, da drehte sie sich noch mal um. »Hast du etwas mit der toten Frau zu tun?«
Sandro lachte. »Wie kommst du jetzt darauf?«
»Nur so.«
Er kam auf sie zu. »Nur so?« Er strich über ihre Oberarme, als wolle er sie wärmen. »War es der Anruf von vorhin?«
Julia schwieg.
»Nun sag schon, wer war es? Wer möchte mir da was anhängen?«
»Kennst du Gianni?«
»Gianni? Ja klar, der hängt doch die ganze Zeit hier rum. Aber der ist doch …«
»Er hat gesagt, dass er an jenem Abend vier Männer mit einer Frau in den Tunnel hat gehen sehen.«
»Ach ja? Der …«
»Und der eine warst du.«
»So ein Irrer! Der weiß doch nie recht, was real ist und was nicht.«
»Das hat seine Schwester auch gesagt. Und dass er vielleicht nur eifersüchtig ist.«
»Auf mich? Da hat er wohl allen Grund dazu.« Er strich Julia eine Haarsträhne hinter die Schulter.
Sie gähnte. »Ich geh jetzt schlafen.«
»Mach das.« Er zog sie an sich.
Sie verharrten eine Weile eng aneinander. Dann verließ Julia das Zimmer.
»Sandro?« Maria ließ die Kaffeetasse sinken, die sie gerade an den Mund setzen wollte, und stellte sie auf den Tisch. »Der Junge hat eine schöne Phantasie. Sandro kann man viel nachsagen, aber eine Frau umbringen? Nein, da ist er der Falsche dazu.«
»Dann meinst du, ich kann es wagen?« Julia biss in ein Brot, das sie dick mit Konfitüre bestrichen hatte.
»Was?«
»Wir sind für heute Mittag verabredet.« Ein Stück Brot brach ab und fiel auf den Tisch. Sie hob es auf und stopfte es in den Mund.
»Ein Date?«
»Kann man so sagen.« Sie wischte mit dem Finger die Konfitüre vom Tisch.
»Musst du nicht zurück?« Maria reichte Julia eine Serviette.
»Ich hätte gestern fahren müssen. Sie haben den Auftrag an jemand anderen vergeben.« Julia leckte die Finger ab.
»Und jetzt?«
»Ich habe ein paar Tage Urlaub genommen und werd mal schauen, ob im Bären noch ein Zimmer frei ist.«
»Willst du dir das wirklich antun? Wenn die Zimmer da so sind wie der Kaffee? – Bleib doch hier.«
»Und der Bergamin?«
»Der soll seine Klappe halten. Der muss sowieso aufpassen. Die Männer sind nicht gut auf ihn zu sprechen. Kaum zu glauben, aber sie sehnen sich nach den alten Stettler-Zeiten zurück. Der war auch nicht immer einfach. Aber
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