Bericht vom Leben nach dem Tode
spöttischem Lächeln zu mir: »Ich bin überrascht, was Sie sich alles gemerkt haben. Sie haben ja das ganze Who’s Who auswendig gelernt.«
»Wieso?« fragte ich. »Stehen Sie denn im Who’s Who?«
»Ich nicht, aber mein Großvater. Ich fand in Sutleys Bibliothek einen alten Band und konnte Ihre Angaben nachprüfen.«
Ich weiß nicht genau, ob der Herr, dessen Namen ich nicht kannte, nur Spaß machte, oder ob er tatsächlich annahm, ich hätte mir die Namen der Gäste vorher besorgt und mich im Who’s Who und in wer weiß welchen anderen Nachschlagewerken über die Lebensdaten ihrer Verwandten und Bekannten informiert. Allein der Gedanke an eine solche Sisyphusarbeit sollte, meine ich, jeden Vernünftigen zu der Einsicht bringen, daß ein solcher Aufwand absurd wäre. Immerhin bestätigte mir der Zweifler, daß Fletcher alle Namen, Daten und Adressen, die der Verstorbene zu seiner Identifizierung übermittelt hatte, fehlerfrei durchgegeben hatte. Wir hatten also dazugelernt! Dafür noch ein zweites Beispiel von der gleichen Séance.
Anwesend war auch der bereits in einem früheren Kapitel zitierte Dr. William Francis Swann vom Franklin-Institut in Swarthmore, Pennsylvania, und aus dem Jenseits meldete sich seine Frau Mabel. Nach dem üblichen Abtausch von Identifizierungsfragen sagte sie voraus, daß Swann in Kürze eine ehrenvolle Einladung des englischen Colleges erhalten werde, an dem er früher studiert habe. Der Rektor des College, Sir R. H., sei sehr stolz auf die wissenschaftlichen Erfolge seines ehemaligen Schülers. Swann war der Name dieses Rektors unbekannt, er fand ihn aber sogleich in einem Nachschlagewerk. Demnach leitete R. H. das College bereits sei 1948.
Ein paar Monate später erhielt Swann ein Schreiben, in dem es hieß, der Vorstand des Colleges habe ihn zum Ehrenmitglied ernannt und lade ihn ein, anläßlich des bevorstehenden Jubiläumstages des Instituts den Festvortrag zu halten. Swann erinnerte sich an die Vorhersage seiner Frau, wunderte sich aber, daß der Brief nicht von jenem Sir R. H., den sie genannt hatte, unterschrieben war, sondern von einem Rektor namens R. P. L. Er erzählte mir davon, und ich mußte zugeben, daß hier keine Übereinstimmung vorlag. Sollte sich Fletcher geirrt haben? Swann bedankte sich für die Einladung und erkundigte sich nach Sir R. H. Er erfuhr, daß dieser vor einigen Monaten gestorben war – wie wir feststellten, ein paar Tage vor der Séance im Hause Dr. Sutleys. Er hatte die Vorbereitungen für die Jubiläumsfeierlichkeiten noch eingeleitet und Dr. Swann als Festredner vorgeschlagen.
Alle diese Zusammenhänge hatte am Tag der Séance kein Irdischer wissen, ahnen oder sich ausdenken können – und auch fleißiges Lesen im Who’s Who hätte mir nicht weitergeholfen.
Ist es nicht menschlich, daß man auf solche unbewußt erzielten, aber bewußt, also mit Geisteskraft, trainierten Ergebnisse ein wenig stolz ist? Auch ein Medium braucht diesen Ansporn, er gibt ihm neue Energie zu abermals erhöhter Konzentration.
Freilich darf man den Effekt der Konzentration und aller »Techniken«, die man zwangsläufig entwickelt, um sich für die nächsten Séancen »fit« zu machen, nicht überschätzen. Nicht der Aufbietung aller geistigen – und natürlich auch körperlichen – Kräfte verdankt man oft im entscheidenden, nicht bewußt erlebten Moment ein eklatantes Ergebnis, sondern ganz einfach der Tatsache, daß der Mensch, gemäß einer alten Binsenwahrheit, mit seinen Aufgaben wächst. So kann man sagen, daß ich manche spezielle mediale Fähigkeit in mir möglicherweise gar nicht entdeckt hätte, wenn ich nicht in der Trance spontan mit dem mir noch unbekannten Problem konfrontiert worden wäre. Anders ausgedrückt: Einen Teil meines Erfolges verdanke ich den Teilnehmern an meinen Séancen. Hätte mir dieser oder jener vor Beginn der Sitzung gesagt, daß er beabsichtige, mich auf einem Gebiet der außersinnlichen Wahrnehmung auf die Probe zu stellen, auf dem ich mich bis dahin noch nicht oder ohne Erfolg versucht hatte, so hätte ich sicherlich bedauernd die Achsel gezuckt. Buchstäblich ohne zu wissen, wie mir geschah, von einer Frage überrumpelt, habe ich in der Trance dennoch Probleme gelöst, die eigentlich nicht auf meinem Programm standen, zum Beispiel psychometrische Aufgaben.
Die Psychometrie, kurz definiert: das Hellsehen durch Betasten von Gegenständen, ist ein seit Urzeiten nachgewiesenes Phänomen, das bis heute noch nicht
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