Bericht vom Leben nach dem Tode
Swedenborgs philosophisch-religiöse Anschauungen kritisierten (z. B. Kant), seine hellseherischen Fähigkeiten anerkennen. Bewunderswert war indessen nicht nur diese Gabe, sondern nicht weniger, daß er, ein Naturwissenschaftler und beamteter Akademiker, es wagte, die Wirkung seiner übersinnlichen Kräfte vor der gebildeten Gesellschaft seiner Zeit zu demonstrieren.
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts war man soeben noch bereit, sich durch handfeste Beweise von der realen Möglichkeit des geistigen Sehens und des Geistersehens überzeugen zu lassen. Fünfzig Jahre später, vom Beginn des Zeitalters der Industrialisierung an, wäre ein Swedenborg auf Ablehnung gestoßen, ohne daß man sich die Mühe gemacht hätte, seine Fähigkeiten erst einmal zu prüfen. Eine übermächtige Welle von materialistischem, fortschrittsfanatischem Skeptizismus überspülte alle, die sich der Diktatur des Realismus entgegenzustellen wagten. Der vernünftige Mensch hatte sich auf die technische und ökonomische Nutzbarmachung und Ausbeutung der materiellen Güter dieser Erde zu konzentrieren und dabei auf Gott zu vertrauen, einen Gott der etablierten, erstarrten Kirchen. Die Geschichte der abendländischen Ethik von David Hume über Schelling und Kierkegaard bis Albert Schweitzer ist ein einziger Bericht über den fast aussichtslosen Kampf des denkenden europäischen Menschen, seine transzendentalen Werte angesichts der Hochflut des meditationsfeindlichen Materialismus zu retten.
Den Philosophen aus der psychologischen Schule ist es zu danken, daß kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Idee der Bewußtseins-Evolution die Probleme der Menschenseele wieder ernst genommen, wieder Gegenstand der Forschung wurden. Hervorragende Denker der verschiedensten Nationalität haben zu dieser Neubewertung der Seele Anstoß gegeben: William James und Henri Bergson, C. G. Jung und Julian Huxley, Teilhard de Chardin, P. B. Medawar u. a. Eine der wichtigsten grundlegenden Erkenntnisse dieses neuen Denkens hat der kanadische Psychiater Richard M. Bucke formuliert:
»Die Reichweite des einfachen Bewußtseins ist weit geringer als die des Selbst-Bewußtseins, während die des kosmischen Bewußtseins weit größer ist als beide. Der Mensch, der auch nur für wenige Augenblicke das kosmische Bewußtsein erlebte, wird wahrscheinlich nie wieder zu der geistigen Stufe des nur selbstbewußten Menschen zurückkehren, sondern wird immer in sich die reinigende, stärkende und überwältigende Auswirkung jener höheren Erfahrung spüren, und viele von denen, die um ihn sind, werden erkennen, daß seine geistige Kapazität den Durchschnitt weit überragt.« 15
Niedrigeren Bewußtseinsstufen Zugehörige, die nicht in der Lage sind, Dimensionen zu begreifen, welche auf höheren Ebenen Lebenden klar sind, werden behaupten, daß es solche Dimensionen gar nicht gibt. Es ist wie bei dem Planierraupenfahrer, der, im Begriff, eine der schönsten Stellen vor der Stadt zu zerstören, sich mit einer empörten Gruppe von Umweltschützern konfrontiert sah. Der Planierraupenfahrer stemmte die Hände in die Hüften, spuckte auf den Boden und schaute umher. »Welche Werte?« fragte er. »Ich sehe keine!«
In dieser jahrhundertealten Kontroverse schöpfe ich Trost aus dem schrulligen Humor, mit dem die Angelegenheit von einem Mann behandelt wurde, der als einer der besten philosophischen Köpfe unserer Zeit gilt: Charles D. Broad, Professor der Philosophie an der Universität Cambridge. Er hat sich zu der von Bertrand Russell, Sigmund Freud und anderen aufgestellten Behauptung geäußert, daß alle religiösen Erfahrungen von der gleichen Art seien wie Illusionen und Halluzinationen. (»Rein wissenschaftlich betrachtet«, sagte Russell, »können wir keinen Unterschied machen zwischen dem Menschen, der wenig ißt und den Himmel sieht, und dem, der viel trinkt und Schlangen sieht.«)
Broad schreibt: »Nehmen wir einmal an, daß es einen Aspekt der Welt gibt, der völlig außerhalb des Wahrnehmungsvermögens gewöhnlicher Sterblicher im Alltagsleben liegt. Dann erscheint es sehr wahrscheinlich, daß ein gewisser Grad von geistiger und körperlicher Anomalie erforderlich ist, um sich von den Objekten gewöhnlicher Sinneswahrnehmung hinlänglich zu lösen und diesen höheren Aspekt zu begreifen. Deshalb ist die Tatsache, daß Personen, die diese besondere Art der Wahrnehmung zu besitzen behaupten, durchweg gewisse geistige und physische Anomalien aufweisen, völlig
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