Bericht vom Leben nach dem Tode
der Welt unserer groben physischen Sinne und dem jenseitigen Leben, in einer weitgehend, wenn auch wohl nicht völlig geistigen Welt.
Wie die antike Historie, so kennt auch die moderne Geschichte zahllose Fälle, in denen Menschen, die sich während ihres körperlichen Daseins für das Leben im Jenseits interessierten, nach ihrem Hinübergang in jene Sphäre Wege gefunden haben, von dort berichtzuerstatten – oft jedoch in einer Sprache, die sich von unserer unterscheidet. Sie sprechen etwa in der Bildersprache der Poesie, der Religion oder Mythologie, der Kunst oder auch in einem Dialekt, in einem völlig unbekannten Idiom. Diesen Leuten glaubt natürlich so leicht niemand. Die glaubhafte Sprache unserer Zeit ist die der Naturwissenschaftler. Wer ernst genommen werden und überzeugen will, muß das wohl oder übel akzeptieren und sich entsprechend ausdrücken. Okkultisten und Esoterikern fällt das meistens sehr schwer. Sie machen aus der Not eine Tugend und ziehen die geistige Sonderstellung, die Isolation, vor. Jenseitsforscher sollten indessen anders denken, und für die größten von ihnen war das eine Selbstverständlichkeit, sogar für den klassischen Philologen Frederic Myers, der, bevor er seine Lebensaufgabe in parapsychologischer Forschung fand, vor allem durch seine profunden Essays über antike Dichtung bekannt geworden war. Mit den physikalischen Theorien, die zu Einsteins Entdeckungen führten, und mit den grundlegenden Erkenntnissen der modernen Physiologie und Psychologie war er jedoch ebenso vertraut.
Myers begann seine Forschungen mit äußerster Skepsis. Er und seine Mitarbeiter waren – strenger noch als Lodge und Hodgson – die rücksichtslosesten Ikonoklasten und Betrugsentlarver, die es auf diesem Gebiet je gegeben hat. Ihre Beweisansprüche waren so rigoros, daß verärgerte Medien die Forschungsgruppe als »Gesellschaft zur Unterdrückung von Beweismaterial« bezeichneten. Nur der unerbittliche Druck der sich stetig ansammelnden Zeugnisse überzeugte Myers schließlich, daß das Fortleben des Menschen nach dem Tode ein Faktum sei. Danach sah er seine Hauptaufgabe nicht etwa darin, diese Tatsache zu beweisen – das war ja bereits geschehen –, sondern die Bezeugungen dieser Tatsache in eine Sprache zu bringen, die auch ein tief im Dogma physikalischer Lehre vergrabener Verstand begreifen kann.
Niemand war sich der Komplexität, der scheinbaren oder echten Widersprüchlichkeit der mit dem Fortlebensgedanken verbundenen »technischen« Probleme mehr bewußt als Myers. Niemand verstand besser die begründete Skepsis der Naturwissenschaftler ebenso wie die der sogenannten breiten Masse. Wir alle, die wir von klein auf mit einer materialistischen Weltanschauung konfrontiert worden sind, vermögen neue Ideen nur dann zu glauben, wenn sie uns in einer uns vertrauten Sprache präsentiert werden. Mehr als seine Einzigartigkeit ist es das, was Myers’ Zeugnis einen besonderen Wert gibt: Er spricht »unsere Sprache«.
Zur Zeit von Myers’ Tod im Jahre 1901 standen einer generellen Anerkennung der Tatsache des Fortlebens vor allem zwei große Hindernisse im Wege. Ich erwähnte sie bereits. Das eine war die Telepathie-Hypothese. Nachdem die Telepathie einmal als ein reales und immer wieder vorkommendes Phänomen gesichert war, überstürzte man sich förmlich, alle Kommunikationen, die aus der jenseitigen Welt stammten, als bewußte oder unbewußte Phantasterei des Mediums zu erklären, das seine Informationen in Wahrheit durch Gedankenübertragung bzw. »Anzapfung« des Bewußtseins lebender Menschen bezogen habe. Myers erkannte dies als einen zwar berechtigten, jedoch widerlegbaren Einwand an. Unermüdlich suchte er nach neuen Demonstrationsmethoden, die bei der Kommunikation mit Verstorbenen jede Möglichkeit einer Gedankenübertragung im irdischen Bereich ausschlossen. Nach seinem Tode erst erschien sein zweibändiges Werk Human Personality and Its Survival of Bodily Death (»Die Persönlichkeit des Menschen und ihr Überleben des körperlichen Todes«), das einen Meilenstein in der Geschichte der Fortlebensforschung darstellt und doch nicht mehr ist als nur eine mit dem begrenzten irdischen Wissen erarbeitete Vorstudie zu seinem Hauptwerk, das uns zwei Jahrzehnte nach seinem Eintritt in die jenseitige Sphäre mittels »verteilter Botschaften« (Cross-Correspondences) in automatischen Schriften erreichte.
Die zweite und noch größere Schwierigkeit war das Fehlen irgendeiner allgemein
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