Bericht vom Leben nach dem Tode
braucht, um eure Arbeit tun zu können. Wir leben in einer erweiterten illusorischen Welt, an ihrem äußersten Rand. Wir sind mehr in Berührung mit der Realität als ihr; denn Geist und Seele gehören zur Welt der Realität. Alles andere – er meinte die materiellen Dinge – ist in gewissem Sinne für eine Zeitlang unentbehrliches Hilfsmittel, später aber überflüssig und daher vergänglich. Nur Geist und Seele sind unzerstörbar und unvergänglich.«
Der größte Teil von Myers’ Vortrag über das Jenseits kam durch ein irisches Mädchen, Geraldine Cummins aus Cork, zu uns. Myers begann seine systematische Beschreibung des jenseitigen Lebens erst, nachdem er mehr als zwanzig Jahre lang in seiner neuen Umgebung gewesen und die Cross-Correspondences sowie andere Arbeiten, die die Tatsache des Fortlebens demonstrieren sollten, vorbereitet hatte. Miß Cummins war kein Berufsmedium. Obwohl Tochter eines Professors, hatte sie keine naturwissenschaftliche, psychologische oder philosophische Bildung, aber sie hatte zwei Theaterstücke geschrieben, die am Dubliner Abbey Theater aufgeführt worden waren. Wenn sie das Bedürfnis hatte, automatisch zu schreiben, setzte sie sich hin, bedeckte ihre Augen mit der linken Hand und konzentrierte sich auf einen Zustand völliger Stille. Dies führte eine Art Halbschlaf herbei. Wenn das automatische Schreiben begann, war es, »als ob durch ihren Arm von einem Fremden, dem sie helfen wollte, ein endloses Telegramm durchgegeben würde«. Ihre rechte Hand ruhte auf einem Schreibblock, und irgend jemand assistierte ihr durch Entfernung der vollgeschriebenen Seiten und Wiederauflegen ihrer Hand auf jedes neue Blatt. Sie schrieb sehr schnell. Normalerweise, sagte Miß Cummins, benötigte sie zum Schreiben eines kurzen Artikels von ca. 800 Wörtern sieben oder acht Stunden. Beim automatischen Schreiben schaffte sie bis zu 2000 Wörtern in wenig mehr als einer Stunde. Das Material schien für eine schnelle Durchsage vorbereitet worden zu sein: mit Kapitelüberschriften, aber ohne Interpunktion und Einteilung in Abschnitte und ohne Wortzwischenräume. Der Text lief also ohne Unterbrechung hintereinander weg. Myers skizzierte Struktur und Lebensbedingungen im Jenseits sehr detailliert. Alles in allem übermittelte er in den Jahren 1924 bis 1931 genug, um damit ein Buch von mittlerem Umfang füllen zu können.
Um die volle Bedeutung von Myers’ Botschaften zu ermessen, wäre es gut, wenn wir uns einmal das Konzept vor Augen halten würden, auf das – obgleich von ihm nie besonders hervorgehoben – seine ganze Kommunikation aufgebaut ist: die Bewußtseinsentwicklungs- oder Nach-Darwinsche Evolutionstheorie. Gemäß dieser Hypothese, die von Bergson, Bucke, Julian Huxley, Teilhard de Chardin, C. G. Jung und anderen entwickelt wurde, bewirkt die Evolution hauptsächlich eine zunehmende Befähigung für eine breitere und tiefere Sinneswahrnehmung, während die ständig wachsende Vielfalt physischer Formen nur ein Nebenprodukt dieses zentralen evolutionären Vorgangs sei. 29
Erdwürmer, zweischalige Muscheln und Entenmuscheln, die ein »einfaches Bewußtsein« besitzen, leben in einem verschwommenen Traum. Ihr Lebensraum besteht aus ein paar Kubikzentimetern Erde; nur schwach nehmen sie Licht, Dunkelheit, Hitze, Kälte, Hunger und Fortpflanzungstrieb wahr. Auf der Stufe der Reptilien, Vögel und Säugetiere nimmt das Bewußtsein entsprechend dem immer größer werdenden Wahrnehmungsvermögen immer mehr zu. Im Menschenleben ist eine Erweiterung des Bereichs all dessen, was das Individuum wahrzunehmen vermag, das Hauptkennzeichen einer Progression von der Kindheit bis zur Reife. Wenn die Reife erreicht ist, gibt es immer noch große Unterschiede für das »Niveau« der Wahrnehmung. Zum Beispiel: Während das Bewußtsein der einen Frau sich auf den Ehemann, das Haus, die Kinder und die Einkaufszentren beschränkt, ist das Bewußtsein einer anderen in der Lage, neben all diesen Dingen auch Musik, Bücher und die darstellende Kunst in ihren Interessenbereich einzubeziehen.
Das Wahrnehmungsniveau beider Frauen mag sich ändern. Die erstere entwickelt vielleicht plötzlich ein Interesse für Religion, das ihr die Augen öffnet für das Dilemma der ganzen Menschheit. Die andere entwickelt vielleicht zusätzlich zu ihren schon vorhandenen Interessen eine intensive Anteilnahme an gesellschaftlichen Belangen und gewinnt dadurch mehr Verständnis für die Sozialmaschinerie. Beide Frauen werden –
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