Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
Vom Netzwerk:
amerikanischer konventioneller Militäroperationen vermindern würde. Ernsthafte militärische Bewegungen der Vereinigten Staaten seien »eine Sache, die den Gegner nichts Gutes erahnen lässt« und einen Eindruck von den »ernsten Absichten der US-Regierung« vermittle.
    Kennedy meinte dann noch, dass ihm der »Goldabfluss« Sorgen mache, womit er auf die Kosten eines solchen Schritts anspielte. McNamara und Gilpatric versicherten ihm jedoch, dass weitere Verhandlungen mit den Verbündeten dazu führen könnten, diese Kosten auf mehrere Schultern zu verteilen.
    Einige Stunden nach diesem Treffen schickte Bundy Norstad einen streng geheimen Brief, dem er die sogenannte Ponydecke beifügte. 36 Unter dem Titel
»US-Politik bezüglich militärischer Aktionen im Fall eines Berlin-Konflikts« würde sie drei Tage später von Kennedy als »National Security Action Memorandum Nr. 109« genehmigt werden. In vier Abschnitten legte sie die gestaffelten Schritte fest, die zu unternehmen waren, wenn die Sowjets den Zugang nach Berlin abschneiden würden.
     
    Phase I: Wenn die Sowjets und Ostdeutschen den Zugang nach Westberlin behinderten, ohne ihn vollständig zu blockieren, schrieb der Plan vor, dass amerikanische, britische und französische Sondierungseinheiten, die aus einem Zug Bodentruppen bestehen und aus der Luft Deckung von Kampfflugzeugen erhalten sollten, auf der Autobahn in Richtung Stadt vorrücken sollten. In dem Papier wurde festgehalten, dass eine solche Reaktion genügend begrenzt sei, um jedes Kriegsrisiko auszuschließen.
    Phase II: Wenn die Sowjets trotz solcher Aktionen die Blockade aufrechterhalten sollten, würde der Westen schärfere Mittel wählen. Die NATO würde dann unterstützende, nicht militärische Maßnahmen wie Wirtschaftsembargos, Störmanöver zur See und Proteste bei den Vereinten Nationen ergreifen. Das Memorandum warnte allerdings, dass ohne weitere Truppenverstärkungen und Rüstungsmaßnahmen die unterstützenden Optionen begrenzt seien und zu Verzögerungen führen könnten, die die nukleare Glaubwürdigkeit schwächen, die Lebensfähigkeit Westberlins bedrohen und die alliierte Entschlossenheit aushöhlen könnten.
    Phase III: Der Westen würde seine Maßnahmen weiter ausweiten, wenn die Kommunisten weiterhin Westberlin blockierten. Dazu würden Bodenoperationen auf DDR-Territorium gehören. So würden etwa drei Panzerdivisionen auf der Autobahn nach Westberlin vorrücken. Außerdem würde man eine lokale Lufthoheit erringen, indem man Luftschläge gegen nicht sowjetische Flughäfen durchführte. »Die militärische Überwindung eines entschlossenen sowjetischen Widerstands ist nicht machbar«, räumte der Bericht ein, um dann hinzuzufügen: »Die Risiken steigen mit dem zunehmenden militärischen Druck auf die Sowjets.« Am umstrittensten war Kennedys Forderung nach weltweiten Aktionen gegen sowjetische Interessen. Dies würde die Ausnutzung der amerikanischen Flottenüberlegenheit zu Seeblockaden einschließen, die die Stunde der nuklearen Wahrheit weiter hinausschieben würden, während die Diplomaten über einen friedlichen Ausgang verhandelten.
    Die ominöse Phase IV: Nur wenn die Sowjets auf einen massiven Einsatz alliierter konventioneller Waffen nicht reagierten, würde Kennedy sich zu
einem Atomkrieg entschließen. Er hätte dann die Wahl zwischen einer oder allen folgenden Möglichkeiten: Angriffe auf ausgewählte Ziele, um zu demonstrieren, dass man zum Einsatz von Atomwaffen bereit war; den begrenzten Einsatz von Nuklearwaffen, um taktische Vorteile zu erzielen, und schließlich ein allgemeiner, umfassender Atomkrieg.
     
    Mit beträchtlicher Untertreibung wurde in dem Papier gewarnt: »Die Verbündeten können den Zeitpunkt und das Ausmaß des Nuklearwaffeneinsatzes nur teilweise kontrollieren. Ein solcher Einsatz könnte von den Sowjets zu jeder Zeit nach der Eröffnung kleinerer Kampfhandlungen begonnen werden. Begrenzte alliierte Nuklearaktionen könnten eine vergleichbare Reaktion auslösen. Sie könnten jedoch auch zu einem umfassenden Präventivschlag führen.«
    Es war ein ernüchterndes Dokument. Zehn Monate nach seinem Amtsantritt hatte Kennedy die militärische Ablaufkette festgelegt, die am Ende zu einem Atomkrieg wegen Berlin führen konnte.
    In seinem Begleitbrief an General Norstad schrieb er: »Dies verlangt eine kraftvolle Vorbereitung, eine Bereitschaft zum Handeln und die Vermeidung eines vorschnellen Losschlagens.« Alle Handlungsoptionen erforderten

Weitere Kostenlose Bücher