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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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geworden, der die Politik zur Entwicklung von Nuklearwaffen und deren Einsatzplanung großenteils beeinflusste. 26 Wenn er über die Fehlschläge wohlmeinender Akteure nachdachte, einen Konflikt zu vermeiden, musste er sich immer an seine Erfahrung als kleiner Junge erinnern, als er bei einer Reise durch Deutschland, dem Herkunftsland seiner Familie, in München die begeisterten Massen sah, die den Ausbruch des Ersten Weltkriegs bejubelten.
    Die Präsidenten Roosevelt und Truman hatten ihn mit der Untersuchung der Folgen der strategischen Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg beauftragt. Dabei sah Nitze die in Trümmern liegenden deutschen Städte mit eigenen Augen und studierte genau die Zerstörungen, die die Atombomben in Hiroschima und Nagaski angerichtet hatten. Nichts prägte jedoch seine Ansichten über die Wichtigkeit einer US-Atomschlagfähigkeit mehr als seine Besorgnis über die strategische Verwundbarkeit, die aus seinen Studien über den Angriff auf Pearl Harbor erwachsen waren.
    Als Trumans Leiter der Politikplanung, wobei er den gefeuerten George Kennan ersetzte, war er im Jahr 1950 der hauptsächliche Verfasser der zentralen Denkschrift United States Objectives and Programs for National Security (Ziele und Programme zur Nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten), die unter dem Kürzel NSC 68 bekannt wurde. 27 In einer Welt, in der die USA ihr nukleares Monopol verloren hatten, lieferte NSC 68 die Begründung für eine beachtliche Erhöhung der Rüstungsausgaben und bildete für die nächsten vier Jahrzehnte den Kern der amerikanischen Sicherheitspolitik, die in dieser Zeit immer ihre Warnung vor »den Weltherrschaftsplänen des Kremls« beherzigte. Hätte Truman in diesem Jahr nicht gegen beträchtlichen Widerstand der Entwicklung
der Wasserstoffbombe zugestimmt, hätten die Sowjets nach Nitzes fester Meinung »bis Ende der 1950er Jahre eine uneinholbare nukleare Überlegenheit erlangt«.
    Als zwei demokratische Falken waren Acheson und Nitze der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende des außenpolitischen und Verteidigungskomitees der Partei, das nach Kennedys Nominierung die Grundlagen für dessen Haltung in der Verteidigungspolitik und seine Einstellung zum Prinzip der »flexiblen Antwort« gelegt hatte. Wie Acheson betrachtete Nitze Berlin als ein Testgelände für die umfassenderen Ziele der Kommunisten, den Westen psychologisch zu besiegen, indem sie dessen Machtlosigkeit angesichts der gewachsenen sowjetischen Nuklearkapazitäten aufzeigten. 28 Aus diesem Grund stimmte er auch Acheson zu, dass die Vorstellung, neue Verhandlungen könnten diese Krise entschärfen, Unsinn sei.
    Am 13. August 1961 war Nitze zuerst wütend gewesen, dass die Vereinigten Staaten auf die Berliner Grenzschließung nicht reagiert hatten. 29 Als das Pentagon jedoch eventuelle Reaktionen überdachte, erfuhr er über Geheimdienstkontakte, dass in der Umgebung Berlins drei sowjetische und zwei DDR-Divisionen standen. Dies wies darauf hin, dass Moskau den Vereinigten Staaten eine Falle stellen wollte. Wenn amerikanische Soldaten die Mauer niederrissen, würden dies die Sowjets zum Anlass nehmen, um ganz Berlin zu besetzen. Das Pentagon verurteilte deshalb jede Maßnahme gegen die Mauer aus Angst, dass dies zu einem allgemeinen Krieg führen könnte, auf den die Vereinigten Staaten nicht vorbereitet waren.
    An diesem 10. Oktober war es Nitzes Aufgabe, kurz zu skizzieren, wie die USA sich auf eine weitere Berlin-Konfrontation vorbereiten sollten. Nach dem 13. August hatte er sich mit britischen, französischen und bundesdeutschen Militärs zusammengesetzt, um gemeinsam mit ihnen Strategien zu entwickeln, wie man auf die nächste sowjetische Provokation in Berlin reagieren könnte.
    Die Denkschrift, die aus diesen Unterredungen entstanden war, stellte zur Sicherung des Zugangs nach Berlin vier Szenarien auf, die von kleineren, konventionellen Aktionen langsam bis zum Atomkrieg eskalierten. Beim Entwurf des Papiers hatte Nitze erlebt, dass »Umstellungen im Ablauf und der Zeitfolge sich rapide vermehrten wie die möglichen nächsten Züge bei einem Schachspiel«. Jemand habe dann gemeint: »Wir würden ein Blatt Papier von der Größe einer Pferdedecke brauchen, um sie alle niederzuschreiben.« Danach entwickelte die Gruppe einen kürzer gefassten militärischen Reaktionsplan für
Berlin, den sie die »Ponydecke« nannte. Nitze war froh, dass er ein Programm, das den wachsenden Druck auf den Westen widergespiegelt

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