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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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eine schnelle Aufstockung seiner Truppen und deren Stationierung an der zentralen Front. Norstad teilte er mit: Falls die Sowjets so viele Truppen aufböten, dass sie damit den Westen besiegen könnten, würde die Antwort darauf ein Atomschlag sein, für den er noch gesonderte Anweisungen bekommen werde.
    Kennedy versuchte, Norstad – und damit auch die Franzosen und Deutschen – davon zu überzeugen, dass ein Ausbau der alliierten konventionellen Truppen der Botschaft nicht widerspreche, die er an die Sowjets senden wollte, dass er bereit sei, wenn nötig, einen Atomkrieg zu beginnen. »Es scheint mir auf der Hand zu liegen«, schrieb Kennedy an Norstad, »dass unsere nukleare Abschreckung den Sowjets nur dann glaubhaft erscheinen wird, wenn wir sie von der Bereitschaft der NATO überzeugen, auch auf einer geringeren Ebene Kampfhandlungen aufzunehmen, um ihnen dadurch noch einmal die großen Risiken einer möglichen Eskalation zu einem Atomkrieg nahezubringen.«
    Eine Fülle von diplomatischen Aktivitäten – Memos, Telefongespräche, Treffen – begleitete Kennedys Vorbereitungen auf einen Krieg. Wie so oft in Zeiten großer Belastung fragte Kennedy eine ganze Reihe von Fachleuten um Rat. Er bat sie dabei, ganz offen zu sein. Der von ihm sehr geschätzte Botschafter in Großbritannien, David Bruce, der früher Botschafter in Bonn gewesen war, nahm dann auch kein Blatt vor den Mund.

    Bruce schrieb in seiner Depesche, dass Kennedys Entscheidung, den Mauerbau ohne jede militärische Reaktion hinzunehmen, die US-Präsenz in Berlin verwundbarer gemacht und darüber hinaus die Westberliner und die westdeutsche Moral untergraben habe. 37 Die Sowjets hätten zu allen Zeiten die Rolle der USA in Berlin nur akzeptiert, weil sie ihr durch militärische Mittel unmöglich ein Ende setzen konnten.
    Bruce warnte den US-Präsidenten, dass das Ziel der Sowjets nicht West-berlin, sondern die letztendliche Inbesitznahme »Westdeutschlands mit seinen immensen Ressourcen« sei. Er machte sich auch über Kennedys mangelnde Bereitschaft Sorgen, die amerikanische Verpflichtung zu unterstützen, auf lange Sicht eine deutsche Wiedervereinigung zu erreichen. Bruce erinnerte Kennedy daran, dass genau dieses Versprechen Adenauer im Jahr 1953 dazu gebracht habe, »das betrügerische, aber verlockende sowjetische Angebot einer Wiedervereinigung zugunsten einer Allianz mit den NATO-Staaten« abzulehnen. Mit anderen Worten warnte Bruce den US-Präsidenten, dass sein Abweichen von diesen alten Verpflichtungen eine deutsche Reaktion hervorrufen könnte, die Washington gar nicht gefiele.
    Bruce griff dann zu einer fast biblischen Sprache, um Kennedy klarzumachen, dass die Realität der deutschen Teilung kein hinreichender Grund sei, diese offiziell und endgültig anzuerkennen: »Keine westdeutsche Regierung würde es überleben, wenn ihre Verbündeten offen anerkennen würden, dass das, was bisher eine hingehaltene Hoffnung war, jetzt als auf Dauer hoffnungslos gelten soll« [Hervorhebung des Autors]. Bruce machte seine Meinung ganz deutlich: Kennedy blieb nichts anderes übrig, als sich mit der historischen Last der Probleme auseinanderzusetzen, bei deren Entstehung er selbst mitgewirkt hatte. »Wir nähern uns jetzt wohl dem Moment der Entscheidung«, schrieb er. »Ich halte es für unumgänglich, die Entscheidung zu treffen und danach glaubhaft zu machen, dass wir, wenn nötig, einen Atomkrieg beginnen, um nicht Westberlin und in der Folge Westdeutschland zu verlieren.«

    HOT SPRINGS, VIRGINIA
SAMSTAG, 21. OKTOBER 1961
    Kennedy spürte, dass die Zeit knapp wurde.
    In der Besorgnis, dass Chruschtschow schon bald zu militärischen Mitteln greifen könnte, entschied er sich für einen nuklearen Präventivschlag ganz anderer Art, den der Sowjetführer mitten in seinem Oktober-Parteitag als demütigend empfinden musste.
    Kennedy beschloss, die bisher geheim gehaltenen Einzelheiten über Größe, Schlagkraft und Überlegenheit des US-amerikanischen Nukleararsenals öffentlich zu machen. Seine Spionagesatelliten hatten in letzter Zeit das Ausmaß der amerikanischen nuklearen Dominanz immer deutlicher werden lassen. Er nahm jedoch an, dass Chruschtschow entsprechende Geheimdienstinformationen über die US-Nuklearkapazitäten fehlten.
    Präsident Eisenhower hatte nie enthüllt, was er über die sowjetische militärische Unterlegenheit wusste, da er die sowjetischen Rüstungsbemühungen nicht beschleunigen wollte. Sein mangelndes Wissen über diese

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