Berlin blutrot
Ada schärfer, als sie beabsichtigt
hatte.
Pia Freitag senkte ein wenig den Kopf und begann schnell und konzentriert zu reden. „Sie sind mir empfohlen worden. Und ich habe ein paar Erkundigungen eingezogen. Sie kennen sich mit den Dingen aus, um die es mir geht. Sie sind zuverlässig, mutig und können Ihren Gegnern gefährlich werden. Sie sind diskret. Und teuer.“ Kurz lächelte sie. „Ich muss ein kleines Geschäft abwickeln. Eine sehr diskrete Transaktion.“ Sie sah wieder auf und fuhr noch schneller fort: „Ich sage nicht, worum es bei dem Geschäft geht. Das ist unnötig. Ich brauche nur Ihren Schutz. Für eine halbe Stunde oder weniger. Ich rufe Sie an. Tags, nachts, Sie müssen nur jederzeit bereit sein. Dann kommen Sie an die Stelle, die ich Ihnen nenne und bleiben bei mir, bis das Geschäft abgeschlossen ist.“
„Warum engagieren Sie nicht zwei handfeste Revolverhelden, Haudegen, irgendwelche hart gesottenen Security-Leute? Warum ich?“ Ada klatschte die flachen Hände auf die Tischplatte
und tat, als wolle sie gleich aufstehen. „Sowieso, Frau Freitag, ohne Kenntnis Ihrer Geschäfte wird nichts aus uns Beiden. Diese Art Job basiert auf Vertrauen. Wenn Sie das nicht aufbringen können, gehen Sie am Besten gleich wieder. Vielen Dank für Ihren Besuch!“
„Okay, okay, ich dachte mir schon so etwas. Also gut. Bitte, Entschuldigung!“, fügte Pia schnell hinzu. Ihre Schultern sackten nach unten und ihre Stimme wurde dumpf. „Ich bin in eine ziemlich böse Sache gerasselt. Drogen, Schulden. Hohe Schulden. Bei den falschen Leuten. Ziemlich üble Leute. Es gab nur einen Ausweg. Ich musste gewisse Kurierdienste übernehmen. Gefährlich, aber machbar. Innerhalb der nächsten Woche soll die letzte Übergabe erfolgen. Wenn ich mit Security-Leuten auftauche, platzt der Deal. Aber mit einer Frau …, einer Freundin? Das wird ihnen völlig harmlos erscheinen.“ Ihre Stimme wurde wieder klarer. „Es ist immer jemand anderes. Ich nehme ein Köfferchen in Empfang. Ich verreise. Meist in die Schweiz. In einer Bar, einem Restaurant, an einer Parkbank, irgendwo treffe ich dann jemanden, dem ich das Köfferchen übergebe. Die Adresse bekomme ich immer erst kurz vorher auf mein Handy.“
„Wie oft haben Sie das schon gemacht?“
„Das läuft seit rund zwei Jahren … vielleicht acht oder neun Mal.
Aber dieses Mal ist es etwas anderes. Ich habe Angst. Etwas stimmt nicht. Etwas ist oberfaul. Der Termin wurde dreimal verlegt. Es herrscht Hektik und Unsicherheit, wenn Sie mich fragen. Auch wenn ich keine Ahnung habe, worum es überhaupt geht. Und ich fühle mich beobachtet. Schon seit Tagen. Frau Simon, Sie müssen mir helfen! Bitte! Ich biete Ihnen ein Honorar, auf das Sie sicher nicht verzichten wollen. Ja, ich kriege Geld für die Deals. Ich kann Sie gut bezahlen!“
So ganz sicher war sich Ada nicht, warum sie diesen Auftrag angenommen hatte. Nicht aus Sympathie zu ihrer Auftraggeberin. Gewiss nicht. Nicht wegen des Kitzels der Gefahr. Den brauchte sie wirklich nicht. Auch nicht, weil sie sich Sorgen um die nächste Miete machte. Obwohl sie das tat. War es die Spannung, das Lebendigfühlen durch so einen Job? Ihre Neugierde? Ihr Ruf, sprich ein zu vermeidender Imageschaden?
Ganz egal, sie hatte ihn angenommen. Und die beachtliche Anzahlung in ihrem Safe im Büro gesichert. Für ein bisschen Schutz. Vermutlich Schutz für illegale Geschäfte. Warum auch nicht? Schließlich leben wir ja auch in einer Gesellschaft, in der beispielsweise das Finanzamt der natürliche Feind des Menschen ist. Handwerker bezahlt man schwarz. Nachgemachte Taschen von Louis Vuitton kosten fast nichts. Handys, Playstations und Laptops funktionieren mit Coltan aus dem Kongo, ausgebeutet von Warlords mit Hilfe korrupter Politiker, multinationaler Konzerne und skrupelloser Geschäftsleute.
Und jetzt rollte sie schon hier am Hintereingang des Schlossgartens aus und stellte den Motor ab. 4.30 Uhr. Längst zu spät, den Auftrag abzulehnen.
Gegenüber des Parkeingangs befand sich ein Autohof und ein Schrottplatz, auf dem ein paar Autos zur ewigen Ruhe gebettet waren, die praktisch die Enkel von ihrem Peugeot hätten sein könnten. Wohl eine Folge der Abwrackprämie. Aus den Augenwinkeln glaubte sie eine Gestalt hinter einem der Autos verschwinden zu sehen. Nur ein Schatten. Sie öffnete das Fenster und hörte den Vögeln zu. Es klang, als meinten die, ein schöner bejubelnswerter Tag bräche an. Dabei ist das fröhliche Tirilieren
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