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Berlin blutrot

Berlin blutrot

Titel: Berlin blutrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: u.a. Sebastian Fitzek
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wissen wofür.“
    Offenbar hatte Pia die gleiche Idee, sie fummelte schon an den Schlössern. Mit einer Haarnadel konnte sie ganz hervorragend umgehen. Bald sprangen die Schlösser auf. Der Koffer war angefüllt mit Papieren und Bargeldbündeln. Und da war noch ein Beutelchen aus hellbraunem Velours, das mit einer grünen Kordel zusammengebunden war. Die Kordel ließ sich leicht aufknoten. Den Beutel in der linken Hand zog Ada die Öffnung auf und sah hinein. Konnte es nicht recht glauben. Schüttelte sich einen Teil des Inhalts in die Hand. Winzige und größere, durchsichtige, weißliche und hellrosa Steinchen glitzerten und gleißten. Sie starrte darauf und war einen Moment lang benommen. Wenn es sich um echte Diamanten handelte, hielt sie einen ganz erheblichen Wert in der hohlen Hand. Die Steine reflektierten das Licht in nie gesehener Weise. Es war ein wunderschöner Anblick. Einzigartig. Versunken saß Ada da und bewegte die Hand hin und her, um das Spiel der Sonnenstrahlen in den tausendfachen Brechungen zu bewundern. Pia hatte sich zu ihr herüber gebeugt.
    Als jemand an ihre Fensterscheibe klopfte, blieb Ada fast das Herz stehen. Sie zuckte dermaßen zusammen, dass ihr ein Teil der Steinchen aus der Hand flog und sich im Fußraum verteilte. Sie sah auf. Unwillkürlich fiel ihr der Begriff Im Angesicht des Todes ein.
    Der Klopfer hatte ein breites Gesicht und grinste, dass seine Ohren Besuch bekamen. Ada starrte ihn nur an. Der Typ machte eine Kurbelbewegung. Endlich wurde Ada wieder lebendig und ließ die Scheibe herunter, wobei sie die Steinchen in der Hand versteckte.
    „Hallo junge Dame, ich wollte sie nicht erschrecken, aber Sie stehen in meiner Einfahrt.“
    Ada lachte vor Erleichterung, lächelte und nickte. Lächelte und
    nickte. Sie ließ den Motor an und legte den Gang ein.
    „Und lassen Sie sich nicht erwischen, mit ihren gestohlenen Diamanten!“ Augenzwinkern.
    Ada lächelte und nickte. Scherzbold. Und gab Gas.
    „Was war das für eine Nachricht? Wie geht es jetzt weiter? Auf in die Schweiz?“
    „Niederlande. Gleich. Haben Sie noch einen anderen Stift, dieses Mistding funktioniert nicht. Ich darf kein Detail vergessen. Bringen Sie mich bitte zum Hauptbahnhof.“
    Ada fand einen Bleistift und tat wie geheißen. Am Bahnhof sammelten sie die Steinchen ein, verschlossen den Koffer. Pia sprang schon aus dem Auto, lief in das Gebäude ohne sich umzusehen. Tolles Ding! Ada stöhnte. Nichts wie nach Hause! In die heiße Wanne! Das Ganze vergessen! Sicher – und da war ihr auch ganz wohl dabei – würde sie nie wieder etwas von einer Frau namens Pia Freitag hören. Wenn sie überhaupt so hieß. Und die Anzahlung war sehr okay für den Job. Ansonsten: Erfahrungen gesammelt. Sie sammelte ja sonst nichts.
    Langsam fuhr sie zurück. An einer Straßenecke lockte ein Café. Ada entschied, dass sie sich ein kleines Frühstück verdient hatte, fand einen Parkplatz und gönnte sich einen Milchkaffee, einen Croissant und eine ausführliche Zeitungslektüre. Am Stuttgarter Platz parkte sie vor ihrem altehrwürdigen Wohnhaus. Gleich nebenan war eine der vielen preiswerten Pensionen der Gegend. Jede Menge Herrschaften in der Sechzig-plus-Uniform, also in beigefarbenen Windjacken und Hosen sowie vernünftigen Schuhen, checkten ein und aus. War schon wieder Kirchentag? Ihre Rollkoffer ratterten über die Mosaikplatten des Bürgersteigs wie ein fernes, aber unausweichliches Gewitter. Sie begutachteten all die Billigprodukte auf dem Bürgersteig, die Toaster und Tortenplatten, Plastikspielzeuge und Papierwaren, als ob ihr Leben vom Preis-Leistungs-Verhältnis abhinge.
    Ada ging zur Haustür, als ein großer schwarzhäutiger Mann im dunklen Designeranzug heraus gestürzt kam. Er prallte mit ihr zusammen, stieß sie von sich und rannte die Straße entlang, als sei ihm ein nachtragender Vodou-Gott auf den Fersen. Oder mindestens der Internationale Währungsfonds. Er drehte sich nicht nach ihr um. Sein Jackett flatterte hinter ihm her wie ein paar schwarze Flügel bei einem hilflosen Flugversuch.
    Wie immer lief Ada die Treppe hoch, anstatt den engen und asthmatischen Fahrstuhl dazu zu animieren, sie an ihre leicht aufzuweckende Klaustrophobie zu erinnern. Außerdem legte sie natürlich großen Wert auf Fitness. Und die war gefragt. Auch, wenn man es im Dauerlauf bis in den vierten Stock schaffen wollte. Das Treppenhaus war mit ausgelatschten, zerfransten roten Läufern belegt. Die ehemals herrschaftlichen Bewohner

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