Berlin - ein Heimatbuch
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Zur Dialektik des Dialekts
Der Tag ist schon weit fortgeschritten und es wird langsam Zeit, dass wir uns auf ein konkretes Ziel für den Abend einigen. Das gestaltet sich heute allerdings ein wenig schwierig. Denn während ich seit Stunden wach und aktiv wie immer bin, hat Karl immer noch Blei im Hintern und Wattewolken im Kopf.
»Wieso müssen wir eigentlich immer alles so penibel planen?«, lamentiert er. »Lass uns doch einfach mal improvisieren !«
Ich traue meinen Ohren nicht. Mister Tausendprozent, der immer alles vorher gelesen haben muss und den Tag am liebsten mit Generalstabsplan und Stoppuhr einteilen würde, macht jetzt einen auf »Carpe Diem«. Wobei »Nutze den Tag« nicht ganz hinhaut, denn weit mehr als der halbe Tag ist uns ja schon durch die Lappen gegangen.
»Okay, kein Thema. Hauptsache, wir kommen hier noch weg, bevor die Sonne untergeht.«
»Vielleicht fahren wir mal wieder ein Stück mit dem Bus? Nach Neukölln-Mitte zum Beispiel?«
»Und dann?«
»Dann fällt uns schon was ein.«
Mir egal. Gesagt, getan. Ich packe meine Sachen in den Rucksack und eile tatendurstig zur Haustür.
Statt mir zu folgen, sehe ich Karl zum Kühlschrank schleichen. Danach im gleichen Schneckentempo zu Brotkasten und Besteckschublade. Ich stemme meine Hände in die Hüften und harre der Dinge, die dieser eigenwillige Erdbewohner plant.
In aller Seelenruhe packt der Gemütsmensch seine Beute auf den Küchentisch und beginnt in Super-Slowmotion einen stetig wachsenden Berg von Stullen zu schmieren. Jedes nach gefühlten drei Stunden fertiggestellte Butterbrot landet in einer neben ihm stehenden Jutetasche.
»Karl-Holger?«
»Ja?«
»Was soll das werden?«
»Proviant.«
»Wofür?«
»Falls es wieder so spät wird.«
Ich stelle mir unser Pummelchen vor, wie es halb nackt in seiner krass designten Warnjacke an der Kitkat-Bar sitzt und mit seinen Wurstfingern Bütterkens aus der Jutetasche pult. Diesmal kann ich den Lachkrampf nicht vermeiden. Karl schaut mich nur verständnislos an und eiert aus der Tür. Geschüttelt von heftigen Zuckungen meines Zwerchfells folge ich ihm.
An der Bushaltestelle habe ich mich wieder ein wenig im Griff. Karl steht vor dem Fahrplan und vergleicht die Zeiten mit den Angaben seiner drei diversen Reiseführer.
»Bist du sicher, dass der M44 heute überhaupt fährt? Hier steht nämlich ...«
Na also, wer sagt’s denn. So kenne ich meinen Zwangsneurotiker. Endlich scheint er seine Schwächephase überwunden zu haben und läuft wieder auf voller Umdrehungszahl.
Während der Sorgengeplagte pathologisch seine diversen Informationsquellen miteinander abgleicht, rollt der Bus heran. Ich steige vorne ein und zahle. Karl, der trotz des direkt vor ihm stehenden und nicht wegzudiskutierenden Busses immer noch in seine vergleichenden Studien vertieft ist, steht einer jungen Mutter im Weg, die gerne ihren Kinderwagen aus dem Mittelausgang hieven möchte. Als der Fahrplanforscher sie endlich bemerkt, möchte er ihr helfen und verheddert sich dabei mit seinem prall gefüllten Brotbeutel in den Rädern des Buggys. Mutter, Kinderwagen und der in dieses Duo irgendwie schlangenmenschartig verwickelte Karl-Holger geben ein ungewöhnliches Triptychon ab.
Der Busfahrer, ein Mops mit lichtem roten Haar und fast so dicken Brillengläsern wie mein peinlicher Gast, verfolgt die Szene über den Außenspiegel, schüttelt dabei unaufhörlich seinen feisten Schädel und atmet schwer rasselnd ein und aus.
» Mannomann, dit daaf doch wohl allet nich wahr sein. «
Kurz bevor er sich in seiner höchst ungesunden Beugehaltung endgültig das Genick bricht, entknotet sich der schwäbische Tollpatsch gerade noch rechtzeitig, erklimmt den Bus unerlaubterweise durch die Mitteltür und drängt sich durch den gut besetzten Gang nach vorne zum Fahrer.
Der will unbedingt die durch die unfreiwillige Slapstick-Einlage entstandene Verspätung einholen und gibt rabiat Gas. Karl gerät ins Taumeln und krallt sich an der Jacke einer ebenfalls im Gang stehenden älteren Dame fest, die das absolut nicht witzig findet und den lästigen Stalker mit aller Kraft und angewidertem Blick von sich wegstößt. Mit dumpfem Knall landet Karl auf einem schmalen Hip-Hop-Hänfling, der im Takt seiner Kopfhörer auf dem Sitz hin und her ruckelt, nun aber durch den plötzlich auf ihm lastenden Schoßgast komplett zum
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