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Berlin - ein Heimatbuch

Berlin - ein Heimatbuch

Titel: Berlin - ein Heimatbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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Puppen« geht übrigens auf eine Berliner Lokalität zurück: Im 18. Jahrhundert war im Tiergarten der Platz Großer Stern mit Statuen geschmückt, die typisch lapidar »die Puppen« genannt wurden. Da der Große Stern damals noch recht weit außerhalb des Stadtzentrums lag, stand der Ausdruck »bis in die Puppen laufen« für einen sehr weiten Spaziergang. Diese räumliche Bedeutung wurde nach und nach ins Zeitliche übertragen und zu einem Synonym für »sehr lange«.

    Berolinismen sind nur in der Berliner Umgangssprache übliche Ausdrücke, zum Beispiel:
    Bonnies Ranch – Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Wittenau
    Goldelse – die vergoldete Figur auf der Spitze der Berliner Siegessäule
    Hungerharke oder Hungerkralle – Denkmal für die Berliner Luftbrücke in Tempelhof
    jwd – ganz weit draußen ( janz weit draußen ), Bezeichnung für die Randgebiete und das Umland Berlins
    Kutschi oder Kurtschi – Kurt-Schumacher-Platz
    Plötze – die Jugendstrafanstalt Plötzensee (beziehungsweise der See selbst)
    Prenzlberg – geläufige Kurzform des Ortsteils Prenzlauer Berg

Batman trifft Edgar Wallace
    Da der dialektverrückte Schwabe keine Anstalten macht, die Macke mit dem Berlinern aufzugeben, schnappe ich mir die Tasche mit den restlichen Stullen und flüchte Richtung Ausgang.
    »Ich muss noch eben was besorgen«, rufe ich als Erklärung über die Schulter.
    » Is jut, ick waate hier, wa, denn weeste Bescheid «, brüllt er mir völlig schambefreit hinterher.
    Au Mann, nichts wie weg von dem Typen. Ich muss erst mal meinen Adrenalinspiegel senken, bevor ich diese Mensch gewordene Peinlichkeit weiter ertragen kann. Also setze ich mich zum Downcoolen auf eine Bank und genehmige mir eines der noch heilen Butterbrote.
    Ich habe kaum den ersten Biss getan, da sehe ich Karl vor der Kaufhaustür stehen. Auch er hat mich bereits geortet und wedelt wie blöde mit den Armen. Wie bescheuert ist das denn. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Knabe von Tag zu Tag seltsamer wird. Vielleicht bekommt ihm die berühmte Berliner Luft nicht? Während ich noch überlege, steht der Hampelmann schon wieder direkt vor mir.
    »Murat, eene Frage. Wat liegt von hier aus am weitesten entfernt?«
    »Hawaii?«
    »Welcher Stadtteil, meen ick. «
    Jetzt muss ich tatsächlich kurz nachdenken.
    »Spandau, glaub ich.«
    Für einen Zentralberliner wie mich ist Spandau ja genau genommen schon brandenburgische Steppe.
    »Spandau? Na supi. Det is jwd, da woll’n ma hinne ... «
    Jetzt reicht’s. Wie dem Busfahrer vorhin reißt auch mir nun endgültig der Geduldsfaden.
    » Wenn du noch een ma det scheiß Touri-Balinan auspackst, denn is hier aba ma sowat von zappendusta, Atze! Allet klar? «
    »Okay, okay. Ist ja schon gut.«
    Karl ist sichtlich ein paar Zentimeter geschrumpft. Kleinlaut wischt er sich meine Speicheltropfen von der Jacke. Ich warte, bis meine Atmung wieder die normale Frequenz erreicht.
    »So, jetzt mal ganz von vorn. Was willst du in Spandau, wenn ich fragen darf?«
    »Ich würde mit meinem Fotohandy gern mal ein paar schöne Bilder machen. Und laut meinen Reiseführern ist die Zitadelle ein schickes und noch nicht totgeknipstes Motiv.«
    »Mhmm«, sage ich, den Hermannplatz musternd. Hier sind bestimmt noch nicht allzu viele Farbfilme verschossen worden.
    »Na gut, von mir aus. Dann erobern wir halt Spandau.«

    Zum Glück fährt die U7 vom Hermannplatz direkt und ohne Umsteigen bis kurz vor die Zitadelle.
    Während wir so dahinzuckeln und an jeder Haltestelle von immer wieder neuen Musikern und Obdachlosenzeitungsverkäufern heimgesucht werden, denke ich über das Phänomen »Spandau« nach. Seit jeher habe ich mich gefragt, warum der gemeine Berliner so wenig mit Spandau am Hut hat. Liegt es womöglich daran, dass dieser Stadtteil erst 1920 eingemeindet wurde? Nun, das war mit Neukölln auch nicht anders. Gut, Neukölln hat ebenfalls ein schlechtes Image. Aber die eigentliche No-go-Area für den durchschnittlichen Berliner ist nicht Neukölln, sondern Spandau. Dorthin pilgert man eigentlich nur, wenn man unbedingt schwedische Billigmöbel einkaufen muss. Oder im Sommer, um tolle Open-Air-Konzerte auf dem Gelände der Zitadelle zu sehen.
    Im Grunde liegt diese latente Abneigung gegen Spandau mit Sicherheit an der innigen Verbundenheit des Berliners mit seiner heimischen Scholle. Eigentlich liebt und schätzt er eh nur »seinen Kiez«. Da kennt er jede Currybude und jeden Taubenschiss. Wenn du ihn über die nächste

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