Berlin Fidschitown (German Edition)
er noch den Hauptschlüssel ab, der am Gürtel hing, dann öffnete er die Tür und spähte den Gang entlang. Die Luft war rein. Er schloss hinter sich ab und warf den Schlüssel in einen Müllbehälter im Treppenhaus.
32
Romy Asbach sah, wie der Mann, den sie insgeheim „Dressman“ getauft hatte, aus der Markthalle kam.
Das Schneetreiben hatte erneut eingesetzt, und der Vietnamese beeilte sich, hinter das Steuer seiner Limousine zu kommen, während Gustav Torn ihm leicht gebeugt folgte. Die Asiatin auf dem Beifahrersitz klappte die Sonnenblende mit dem Schminkspiegel hoch. Es blieb Romy Asbach ein Rätsel, wie die Frau sich so lange mit ihrem Lippenstift hatte amüsieren können.
Der Dressman hatte bereits hinter dem Steuer Platz genommen und gurtete sich gerade an, als Romy Asbach Gustav Torn abfing. Sie stellte sich ihm in den Weg, noch bevor er die Tür zum Rücksitz öffnen konnte. Torn zwang seinen Körper in eine aufrechte Haltung und starrte auf sie herab, als könne dies allein sie aus dem Weg räumen.
Romy ließ sich nicht einschüchtern. „Sie müssen für mich aussagen“, herrschte sie den Mann mit dem grauen Pferdeschwanz an.
Torn bat den Vietnamesen am Steuer mit einer Geste, noch einen Augenblick zu warten, und wandte sich ihr erneut zu. „Ich muss?“ Er lachte kurz und trocken. „Wenn das Ihre übliche Art ist, Bitten vorzutragen, wundert es mich nicht, dass Ihre Karriere den Bach runtergeht.“
„Sie halten Informationen zurück, die meinen Hals retten können“, beharrte sie auf ihrem Anliegen.
„Das mag sein ...“ Torn langte zum Griff der Wagentür.
Sie ging mit dem ganzen Körper dazwischen und sah ihrem Widersacher fest in die Augen.
Torn richtete sich wieder auf, klopfte ein paar Flocken vom Ärmel des Lodenmantels und rang sich ein Lächeln ab. „Wollen Sie mit mir ringen?“
„Wenn es sein muss.“
Er schüttelte den Kopf. „Nicht mit mir. Und nicht in diesem Ton, Gnädigste.“
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie der Dressman die Konfrontation im Außenspiegel verfolgte.
„Seien Sie nicht kindisch und machen Sie Platz.“ Torn langte erneut zum Türgriff.
Diesmal ließ sie ihn gewähren und sah mit stummer Wut zu, wie er einstieg und die Limousine langsam davonrollte. Die Winterreifen zermalmten den Schnee wie Mehl und ließen ein Nadelstreifenmuster im Hof zurück.
Sie stapfte zu ihrem Wagen und trampelte den Schnee aus dem Profil der Stiefelsohlen, bevor sie einstieg. Hinter dem Steuer kramte sie das Fläschchen mit verdünntem Bach-Blütenkonzentrat aus der Jackentasche. Sie träufelte sich einige Rescue-Tropfen in den Mund und nahm behutsam die Verfolgung auf.
Ihre Vorsicht hatte vor allem mit den abgefahrenen Sommerreifen des Opels zu tun. Den Gangster Torn und seine Komplizen kannte sie in- und auswendig. Mindestens ein halbes Dutzend mal hatte sie ihn verhaftet und wieder laufen lassen müssen, weil diese Nutte, die sich Justitia nannte, nicht in der Lage war, Typen wie ihn ein- und für allemal hinter Gitter zu bringen. Umso bitterer war es, nun auf einen wie ihn angewiesen zu sein. Er war ihre letzte Karte, die einzige, die noch vor dem Untersuchungsausschuss stechen konnte. Es hatte sie fast eine Woche gekostet, den Mann wieder aufzuspüren, und sie hatte nicht vor, ihn aus den Augen zu lassen, bis sich die Chance bot, ihn endlich umzudrehen.
Die Gleitversuche, mit denen ihr Opel tapfer versuchte, der Limousine über die Landsberger Allee Richtung Stadtmitte zu folgen, machte Romy Asbach klar, wie schlecht ihre Chancen standen. Zum Glück war das Schneetreiben stark genug, um den Dressman deutlich unter das Tempolimit zu zwingen und ihr zudem ausreichende Deckung zu gewähren.
33
Farang war überzeugt: Selbst wenn Romy Asbach gelegentlich in den Innenspiegel sah, war sein weißer Mercedes hinter dem dichten Schneevorhang kaum zu erkennen.
Das war der Vorteil. Von Nachteil war, die Limousine mit Gustav Torn gar nicht mehr erkennen zu können und auf die Verfolgungskünste der Blondine setzen zu müssen. Der Opel vor ihm schlidderte über die Fahrbahn, als habe er magnetischen Kontakt zum Randstein. Immer wieder zog die Frau am Steuer den Wagen zur Fahrbahnmitte. So gelang es ihr, in einer Schlangenlinie auf Kurs zu bleiben.
Was Farang wesentlich größere Sorgen machte, waren die Schneeketten des Mercedes. Er hatte Geräusche dieser Art noch nie vernommen. Die hinteren Radkästen schienen sich allmählich aufzulösen. Das dumpfe Rumpeln und Rasseln
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