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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D B Blettenberg
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weiße Tarnfarbe ihm nicht mehr allzu viel nützte, konnte er seine europäischen Halbbrüder und -schwestern zum ersten Mal verstehen. Wetter war wichtig – vor allem, wenn man mit Schneeketten unterwegs war. Ganz weit entfernt meinte er noch das warnende Blinken der Ampelanlage erkennen zu können. Aber das war natürlich Einbildung. Sicher war: Sowohl Romy Asbach als auch Gustav Torn waren vorerst außer Reichweite.
    Er öffnete den Gurt, trat die verklemmte Tür auf, stieg aus und streckte sich vorsichtig. Alles schien heil zu sein. Was man von Mercedes und Telefonzelle nicht behaupten konnte. Die Schneeflocken waren eifrig bemüht, den Schrotthaufen gnädig zu verhüllen. Ungebetene Zeugen waren bei dem Mistwetter nicht unterwegs.
    Kaum hatte Farang den Gedanken zu Ende gebracht, hörte er ein Knirschen. Er sah sich um und bemerkte eine dick vermummte Gestalt, die ihn ansteuerte. Sie schob einen Einkaufswagen vor sich her. Der Wagen war verrostet und voll gepackt mit prall gefüllten Plastiktüten. Unter die Räder waren zwei speckige Skateboards ohne Rollen montiert. Sie dienten als Kufen. Die Gestalt war eine alte Frau. Oder sie war noch gar nicht so alt, sondern nur verlebt. Jedenfalls sah sie nicht aus, als käme sie gerade aus dem Supermarkt. Ihre Winterklamotten waren ein Sammelsurium, das nicht einmal auf dem Trödel Käufer gefunden hätte. Das Gesicht war vom Alkohol aufgedunsen, und die Duftwolke, die sie einhüllte, war eine herbe Mischung aus Urin, Bratfett und Spiritus. Sie schob ihr Gefährt neben den Kofferraum, deutete mit einem Fausthandschuh zur offen stehenden Fahrertür und blinzelte ihn aus geröteten Augen an.
    „Wird der frei?“
    Farang machte eine unbeholfene Geste.
    Die Alte ließ es auf sich beruhen, beugte sich ins Wageninnere und inspizierte die Sitze.
    „Heizung noch intakt?“
    „Keine Ahnung.“ Er sah zu, wie die Frau zum Heck stapfte, den Kofferraumdeckel öffnete und ihre Habe umlud.
    „Suche schon länger was Luxuriöses mit Telefon.“ Ein schlimmer Hustenanfall unterstrich die Dringlichkeit.
    Farang drehte sich um und ging durch das Schneetreiben davon, den Stadtplan vor Augen. Irgendwo da vorne musste die Allee eine S-Bahnstrecke überqueren, und mit ein wenig Glück, war der nächste Bahnhof nicht weit. Das krankhafte Bellen und Keuchen der Frau hielt an, wurde aber mit jedem seiner Schritte leiser. Er kannte die Tonlage gut. Der Obdachlosen blieb nicht mehr viel Zeit. Wenn Lord Buddha ihr gnädig war, verdämmerte sie den kleinen Rest ihres Lebens umgeben von echtem Leder und Wurzelholzimitat, bewacht von wenigstens einem Stern.

34
    Star of Bethlehem gegen Schock und Betäubung, Rock Rose gegen Panikgefühle, Impatiens gegen Stress und Spannung, Cherry Plum gegen die Angst, die Kontrolle zu verlieren und Clematis gegen die Tendenz abzutreten, dieses verdammte Gefühl, weit weg zu sein.
    Romy Asbach mischte aus fünf Bach-Blütenkonzentraten Nachschub für ihr Erste-Hilfe-Fläschchen. Nachdem der Opel nach einer Pirouette in der Schneewehe gelandet war, hatte sie den letzten Rest aus der kleinen Flasche dringend nötig gehabt und unverzüglich gekippt. Ganz im Sinne der Gebrauchsanweisung: Rescue hilft, einen erlittenen energetischen Schock auf feinstofflicher Ebene sofort aufzulösen – sei es eine unvorhergesehene Schrecksituation, eine schlechte Nachricht oder eine heftige Auseinandersetzung bis hin zum Unfall mit Bewusstseinsverlust.
    Von Bewusstseinsverlust konnte natürlich nicht die Rede sein. Ganz im Gegenteil. Sie hatte vor Wut gebrüllt, nachdem dieser Scheiß-Laster ihr in die Quere gekommen war. Aber um eine unvorhergesehene Schrecksituation hatte es sich ohne Zweifel gehandelt. Und die Angst, ab und zu die Kontrolle zu verlieren, war auch nicht ganz zu leugnen. Immerhin hatte sie ihren Opel mit Tritten traktiert.
    Nachdem sie die Eigenversorgung sichergestellt hatte, gab sie noch zehn Tropfen ins Wasser der Gießkanne und goss ihre Blumen. Es half! Manchmal war sie nicht sicher, wer entspannter war – sie oder ihre Zimmerpflanzen. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, noch fünf Tropfen in ein Vollbad zu geben und sich für eine Weile in die Wanne zu legen, doch dann entschied sie sich, die Suche nach Gustav Torn sofort wieder aufzunehmen, und räumte die diversen Vorratsflaschen mit Blütenextrakt weg.

35
    Ein zweiter Besuch im „Grand Vegas“ blieb Farang vorläufig erspart, denn Heinz Haller tänzelte gerade aus dem Eingang, als er

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